Regelungstechnik für optimale Quantenkontrolle
Mittels Regelungstechnik werden heute Roboterarme, Produktionsanlagen oder Hochöfen gesteuert. Die auf Messung und Rückkoppelung basierende Regelungstechnik eignet sich aber auch dazu, ein Quantensystem optimal zu kontrollieren, berichten Wiener Forscher im Fachjournal "Nature". Sie können durch die Verbindung von Mikroskopie und Regelungstechnik die Bewegung eines winzigen Glaskügelchens so beeinflussen, dass es sich im quantenmechanischen Grundzustand befindet.
Dem Experimentalphysiker Markus Aspelmeyer von der Universität Wien und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und seinem Team ist es im Vorjahr gelungen, die Bewegung eines Glaskügelchens - etwa tausendmal kleiner als ein Sandkorn, aber immer noch aus einigen hundert Millionen Atomen bestehend - in den quantenmechanischen Grundzustand zu versetzen. Das Kügelchen wird im Hochvakuum von einem stark fokussierten Laserstrahl in Schwebe gehalten und gleichzeitig vom Laserlicht so weit abgekühlt, dass es sich wie ein Quantenteilchen verhält.
Für das Objekt bedeutet das eine kuriose Situation: Seine Oberfläche ist durch den Laser auf 300 Grad Celsius aufgeheizt, doch seine Bewegungsenergie ist annähernd äquivalent zum absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) - und damit so reduziert, dass sie nicht mehr durch die Gesetze der klassischen Physik beschrieben werden kann. Aber seine Oberfläche ist dennoch heiß - so wie die Erde noch immer ihre Oberflächentemperatur hat, wenn man sie plötzlich auf ihrem Weg um die Sonne stoppen würde.
Neue regelungstechnische Methoden
So ein schwebender, vergleichsweise großer Festkörper mit Quanteneigenschaften ist für Aspelmeyer eine "coole Toolbox", an deren Verbesserung die Forscher seither arbeiten. Durch die Zusammenarbeit mit Andreas Kugi, Vorstand des Instituts für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität (TU) Wien, ist den Wissenschaftern nun ein "wichtiger Schritt" gelungen, erklärte Aspelmeyer gegenüber der APA. Offensichtlich sieht das auch "Nature" so, das der Arbeit die Titelseite widmet.
"In der Regelungstechnik geht es darum, Systeme so zu beeinflussen, dass sie ein gewünschtes Verhalten aufweisen unabhängig von Störungen und Parameterschwankungen", erklärte Kugi in einer Aussendung. Die Wissenschafter hatten dabei aber mit einem Problem zu kämpfen, mit dem sie in der klassischen Regelungstechnik nicht konfrontiert sind. Denn üblicherweise hat die Messung keinen Einfluss auf das System. Bei Quantensystemen lässt sich dieser Einfluss aber grundsätzlich nicht verhindern. Sie mussten daher auch neuartige regelungstechnische Methoden entwickeln.
Das gelang ihnen, indem sie das vom Glaskügelchen zurückgestreute Licht mit einer Mikroskopietechnik möglichst vollständig erfassen und daraus in Echtzeit seine aktuelle Position mit einer Präzision im Pikometer-Bereich (ein Pikometer ist ein Billionstel eines Meters) ermitteln. Mit dieser Information können sie ein elektrisches Feld permanent so anpassen, dass es der Bewegung des Glaskügelchens entgegenwirkt und damit seine Bewegungsenergie bis zum kleinstmöglichen Zustand reduzieren. Wurde im ursprünglichen Experiment das Objekt nur mit Laserlicht gekühlt, wird in der aktuellen Arbeit dieses elektrische Feld als zusätzliche Kraft zur Kühlung des Kügelchens genutzt.
Maximum an Präzision
Die Methode erreicht dabei beinahe das Limit, das von der "Heisenbergschen Unschärferelation" vorgegeben wird - mehr Präzision lässt die Physik grundsätzlich nicht zu. Der Erstautor der Arbeit, der Physiker Lorenzo Magrini von der Uni Wien, erinnert in diesem Zusammenhang an ein Gedankenexperiment des deutschen Physikers Werner Heisenberg (1901-1976), das "Heisenberg-Mikroskop": "Wenn man in einem Mikroskop die Position eines Objekts sehr genau messen möchte, muss man Licht mit möglichst kurzer Wellenlänge verwenden. Kurze Wellenlänge bedeutet aber höhere Energie, dadurch wird die Bewegung des Teilchens stärker gestört." Heisenberg folgerte daraus, dass man nicht gleichzeitig Aufenthaltsort und Bewegungszustand eines Teilchens exakt messen kann.
Durch die auf das Experiment abgestimmte Regelungstechnik konnten sich die Wissenschafter an diese von der Natur vorgegebene Genauigkeits-Schwelle herantasten. Die Bewegungsenergie des Kügelchens entsprach im Experiment einer Temperatur von gerade einmal fünf millionstel Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt. Die beiden Forschungsgruppen wollen nun weiter zusammenarbeiten, um mit Know-how aus der Regelungstechnik noch präzisere Quantenexperimente zu ermöglichen.
Service: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-021-03602-3