Nach Schul-Attacke - Verschiedene Konzepte in Bundesländern
Für den Fall von Amoklagen und bewaffneten Angriffen in Schulen liegen je nach Bundesland unterschiedliche Konzepte bereit. Die steirische Bildungsdirektion verfügt unter anderem über eine eigene Checkliste, die in allen Schulen aufliegt. "Dort finden sich Informationen, wie man sich in so einem Fall zu verhalten hat", sagte Susanne Leiter, Sprecherin von Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) der APA. Suizidpräventionsforscher Thomas Niederkrotenthaler verweist unterdessen auf die Bedeutung der Krisenintervention.
In erster Linie gilt der Grundsatz "alle Handlungen, die das Leben oder die Gesundheit gefährden, zu vermeiden", wie es in der Checkliste der steirischen Bildungsdirektion, die der APA vorliegt, heißt. Nach Einschätzung der Situation für mögliche Opfer, der Drohung, der Art der Bedrohung und einer Klärung über Gefährdungen durch Waffen, Sprengstoff etc. muss in der Steiermark sofort die Schulleitung und in der Folge die Polizei verständigt werden.
"Zusätzlich hat jede Schule nochmal einen individuellen Krisenplan", sagte Leiter. Davon erfasst sein können unter anderem entsprechende Codewörter für die jeweiligen Lagen. Diese müssen in der Steiermark sofort an alle Beteiligten durchgegeben werden, beispielsweise per Lautsprecherdurchsage, wobei Panik vermieden werden solle, wie es in dem Papier aus der Steiermark heißt. Auch die intern festgelegten Evakuierungsorte sowie Angehörige des Krisenteams müssen in solchen Fällen kommuniziert werden.
Klassenzimmer nicht verlassen
Ebenfalls für alle Schulen in der Steiermark gilt die Anweisung, das Klassenzimmer nicht zu verlassen und es nach Möglichkeit abzusperren. "Tische umstellen, sich dahinter flachliegend verbarrikadieren, Fensterglasflächen meiden. Handys ausschalten, um Panik zu vermeiden. Warten auf das Eintreffen der Polizei", heißt es dazu unter anderem in der Checkliste.
Eine mögliche Entwarnung erfolgt immer erst nach Rücksprache mit der Polizei. Nach Benachrichtigung der Schulbehörde obliegt in solchen Fällen die weitere Kommunikation der Bildungsdirektion. Das betrifft auch besorgte Anrufe von Eltern, "die auf die Bildungsdirektion umgeleitet werden", heißt es.
Experte: Krisenintervention braucht Vorrang
Angesichts der Attacke in einer Schule in der Grazer Dreierschützengasse sieht der Suizidpräventionsforscher Thomas Niederkrotenthaler von der Medizinischen Uni Wien eine "Ausnahmesituation, die zum Glück so in Österreich noch nicht gesehen wurde". Vor allem die direkt Betroffenen sollten jetzt möglichst rasch Kriseninterventionsangebote bekommen und von Medien geschont werden. Solche Ereignisse können insgesamt "massive traumatische Reaktionen" auslösen, sagte er zur APA.
Das gelte in gewisser Weise auch im erweiterten Schul-Setting oder der breiteren Bevölkerung. In der medialen Berichterstattung sollten daher Kriseninterventionsangebote genannt werden. "Wichtig wäre auch, möglichst auf Spekulationen zu verzichten - also darauf hinzuweisen, was man weiß und was man nicht weiß", so der Leiter des Lehrganges "Krisenintervention und Suizidprävention" an der MedUni Wien. Über Motive und den möglichen Tathergang zu spekulieren, ohne dass dem eine kritische Recherche zugrunde liegt, sollte ebenso vermieden werden wie auch Vereinfachungen.
Keine Interviews mit direkt Betroffenen
"Vor allem sollte man nicht mit potenziell oder eindeutig traumatisierten Personen Interviews führen", betonte Niederkrotenthaler. Man wisse, dass auch Menschen, die vielleicht recht gefasst wirken, "nach einem Trauma dann auch bereuen können, was sie gesagt haben. Hier ist wichtig, dass man sehr sensibel vorgeht". Professionelle Krisenintervention müsse hier jedenfalls Vorrang haben.
Auch in Gesprächen in nicht betroffenen Schulen, Schulklassen oder in Familien sollte man auf möglichst gesicherte Informationen setzen. Es liege in der Natur der Sache, dass zum jetzigen Zeitpunkt vieles noch nicht bekannt ist. Bespricht man so etwas zum Beispiel in Schulklassen, sollten sich Lehrpersonen - wenn möglich - mit der Schulpsychologie abstimmen. "Sehr oft ist es absolut sinnvoll, das sehr wohl zu thematisieren" - auch in Bildungseinrichtungen, die nicht direkt betroffen sind. Denn ein solch tragisches Ereignis könne prinzipiell jedem, der in dem Kontext arbeitet, zusetzen.
Service: Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. Infos für Jugendliche gibt es unter www.bittelebe.at.