Proteine fliehen elektrostatisch aus einengender Arbeitsumgebung
Mit minimalen elektrostatischen Veränderungen können Eiweißstoffe in Pflanzenzellen aus ihrer Festanstellung flüchten, um sich neuen Aufgaben zu widmen, berichten Botaniker des Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien im Fachjournal "Nature Plants". Kleine physikalische Effekte könnten demnach große evolutionäre Veränderungen anstoßen, erklären sie.
In Pflanzen, Pilzen und Tieren einschließlich Menschen gibt es ein Protein namens "Exo70", so die Forscher um Nicholas Irwin und Yasin Dagdas vom GMI in einer Aussendung. Er ist Teil einer großen Zell-Maschinerie namens "Exocyst-Komplex", der für den Transport und die Ausscheidung verschiedenster Stoffe verantwortlich ist. Obwohl "Exo70" dort fest eingebunden ist, gibt es in verschiedenen Organismen auffallend viele Varianten davon. In der Ackerschmalwand, die ein beliebter Modellorganismus für Botaniker ist, kenne man zum Beispiel mehr als zwanzig. Weil ihnen diese Vielfalt zu unübersichtlich war, untersuchten die Botaniker vorerst die nur drei Varianten des Lebermooses "Marchantia polymorpha".
Zwei von ihnen (Nummer I und III) arbeiten immer noch im Exocyxt-Komplex der Lebermooszellen und interagieren intensiv mit dessen anderer Belegschaft. Der Dritte (Nummer II) war aber gleichsam überall anders in der Zelle zu finden, nur nicht an seiner alten Arbeitsstelle. Er hatte auch die Kontakte zu den Exkollegen weitgehend abgebrochen.
Laut Stammbaumanalysen der Forscherinnen und Forscher war seinem Abgang eine unauffällige aber entscheidende Veränderung voran gegangen: Wo er mit dem Komplex am meisten verbunden war, hatte Exo70II ein bisschen mehr negativ geladene Bausteine (Aminosäuren) eingebaut. Das lockerte die Beziehung und ermöglichte ihm gleichsam die Flucht, erklären die Forscher. Sie mutmaßen, dass solch eine "Komplexflucht" durch elektrostatische Veränderungen bei allen Organismen weit verbreitet und im Lauf der Evolution schon häufig aufgetreten ist.
Service: https://doi.org/10.1038/s41477-025-02135-1