Fermenting Futures - Die Geschichte der Hefe aus Sicht der Kunst
Fermenting Futures (2021) ist ein neues Werk der international renommierten Künstler Anna Dumitriu und Alex May, das im Rahmen einer Wanderausstellung ab 09.03.2022 u.a. im Künstlerhaus Wien zu sehen sein wird. Dieses Kunstprojekt, welches BioArt, digitale Technologien, Skulptur, Kunsthandwerk und Installation miteinander verbindet, entstand in enger Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe unter der Leitung von Diethard Mattanovich vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und dem Institut für Mikrobiologie und Mikrobielle Biotechnologie an der BOKU Wien. Das Projekt erforscht die Bedeutung der Hefebiotechnologie aus kultureller, ästhetischer und historischer Sicht und stellt moderne Methoden der synthetischen Biotechnologie zur Milderung des Klimawandels und Lösung von Umweltproblemen vor. Durch die Einbeziehung des Publikums will Fermenting Futures diesem wichtigen, aber bisher unterrepräsentierten Forschungsbereich größere, öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen.
Fermenting Futures - Biotech trifft Kunst
"Die breite Öffentlichkeit weiß bislang nur wenig über das Wesen der Hefe, abgesehen davon, dass diese winzigen, mikroskopisch kleinen Pilze für die Gärung von Brotteig oder Fermentation in Bier und Wein zuständig sind", sagt Alex May. Aber Hefe spielt eine viel größere Rolle in der menschlichen Evolution: "Seit der Gründung menschlicher Siedlungen hat die Hefe unser historisches Verständnis der Vergangenheit durch bioarchäologische Eingriffe an historischen Stätten geprägt und ist heute ein wichtiges, biotechnologisches Produktionssystem", so May.
Kunst trifft Biotechnologie
Die Idee zu Fermenting Future entstand, als Diethard Mattanovich die Künstler Anna Dumitriu und Alex May in die Labore des acib und der BOKU Wien einlud, um ihnen eine "Artists in Residence"-Kooperation anzubieten. Mattanovich und sein Team wenden in ihren Forschungsarbeiten Methoden der synthetischen Biologie an. Sie rekonstruieren die Genome verschiedener Hefearten und versuchen, die Evolution von Hefe im Labor nachzubilden, um besser verstehen zu lernen, wie sich die Fermentation von Hefe über Jahrtausende entwickelt hat. Dieses Wissen nutzen die Wiener Wissenschaftler, um diese Mikroorganismen für verschiedene industrielle Anwendungen zu optimieren, etwa zur Herstellung von Biotreibstoff, Biopolymeren, Futtermitteln oder speziellen Chemikalien. "All dies passt perfekt zu unserem Vorhaben, die Geschichte der Hefe von ihren Anfängen bis heute und sogar darüber hinaus zu erzählen und über unsere Kunstwerke ebenso ihr Potenzial für zukünftige Anwendungen aufzuzeigen", betonen die Künstler.
Klimawandel und Umweltverschmutzung
"Für das Hauptkunstwerk innerhalb von Fermenting Futures wurde eine biotechnologisch hergestellte Hefe verwendet, die CO2 in der Atmosphäre binden kann. Daraus wurde in weiterer Folge ein Biokunststoff hergestellt, der von den Künstlern 3D-gedruckt worden ist", sagt acib- und BOKU-Forscher Diethard Mattanovich. "Verschiedene Elemente der Installation werden aus diesem 3D-gedruckten Kunststofffilament hergestellt, das in seiner unverfälschten Form durch Kompostierung biologisch abbaubar ist", erklärt Anna Dumitriu und führt weiter aus: "Das Kunstwerk fängt gleichzeitig Kohlenstoff ein und produziert daraus Kunststoff. Mit anderen Worten löst es auf den ersten Blick ein Problem, während es gleichzeitig ein anderes schafft. Dieses Paradoxon kann dazu anregen, über die zentralen Probleme der Umweltverschmutzung auf unserem Planeten nachzudenken - darunter die Erderwärmung durch zu viel CO2 in der Atmosphäre oder große Mengen an Mikroplastik in unseren Weltmeeren. Tatsächlich ist es jedoch so, dass der in diesem Projekt hergestellte Kunststoff leicht biologisch abbaubar ist, sodass der Prozess in der Tat zwei Probleme gleichzeitig lösen könnte."
Die Bioarchäologie der Hefe
Ein weiteres Werk der Serie ist "The Bioarchaeology of Yeast" (Die Bioarchäologie der Hefe). Es untersucht die von Hefen verursachten Spuren, die auf Kunstgegenständen und Kulturgütern zu finden sind. Diese Artefakte menschlicher Kultur sind Lebensraum von extremophilen Pilzen, auch als schwarze Hefen bekannt. "Unsere Arbeit erforscht diese biodeteriorativen Mikroorganismen nicht als etwas, das entfernt werden muss, sondern als Objekte der ästhetischen Wertschätzung an sich. Eine Sichtweise, die normalerweise nur den Forschern im Labor in ihren nachdenklicheren Momenten zugänglich ist", erklärt Dumitriu.
Die Künstler fertigten 3D-Photogrammetriescans von schwarzen Hefekolonien an, welche monatelang in Kulturen im Labor wuchsen und komplexe morphologische Strukturen bildeten. Diese Strukturen wurden als physische Skulpturen 3D-gedruckt, in flüssige Medien gelegt, die schwarze Hefen und färbige Organismen enthielten, und so langsam von diesen Mikroorganismen gefärbt.
Hefe-Kultur und Hefekulturen
Die Installation "Culture" befasst sich mit der Co-Evolution von Hefen und menschlichen Siedlungen. Und der Hypothese, dass diese Beziehung möglicherweise von Hefen und nicht von Menschen ausging. "Wir untersuchen die Beziehung zwischen der Gärung zur Herstellung von Brot und Bier und der menschlichen Besiedlung durch eine künstlich geschaffene Stadt metaphorischer Architektur", erklärt May. In der Installation tauchen eine Reihe von mit Brotkrumen verkrusteten Architekturmodellen - hergestellt mit einer Hefe, die Brot zum Aufgehen bringt - aus der Erde auf. Einige Räume sind möbliert und tapeziert, mit elektrischem Licht verkabelt und von winzigen Bildschirmen beleuchtet. "Ich wollte nicht, dass es ein unbelebter, leerer oder gar unglücklicher Ort ist, sondern eher zeigen, dass es um lebendige Architektur geht", erklärt May. Der Maßstab der Gebäude, im goldenen Schnitt gebaut, ändert sich, je höher sie sich erheben, und verweist auf die wachsende Bevölkerungsdichte, als sich die Zivilisation im Laufe der Zeit von Hütten zu riesigen Städten entwickelte.
Besseres Verständnis von Wissenschaft und unserer eigenen Geschichte
"Wir hoffen, dass das Projekt ein Gefühl von Ehrfurcht und Neugier für die Hefebiotechnologie weckt. Wissenschaftler sind natürlich vertraut mit dieser Thematik, aber für Nicht-Wissenschaftler ist dieses Gebiet normalerweise eher unzugänglich", erklärt Dumitriu. Das Publikum ist im Rahmen der geplanten Ausstellungen eingeladen, mit den Künstlern und Werken zu interagieren und über die Geschichte der Hefe und ihre Zukunft nachzudenken. Özge Ata, Forscherin am acib und an der BOKU Wien, sagt dazu: "Diese Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Kunst kann nicht nur unsere Sichtweise als WissenschaftlerInnen auf die Hefeforschung verändern und aufzeigen, wie wir diese wichtigen Organismen zum Besseren nutzen können, sondern sie kann auch für die Öffentlichkeit von großem Nutzen sein. Projekte wie diese ermöglichen es KünstlerInnen, ihre eigenen - wissenschaftlich fundierten - Geschichten aus einer künstlerischen Perspektive zu erzählen. Damit wird Wissenschaft für die Öffentlichkeit zugänglicher gemacht und damit ein wichtiger Raum für Diskussionen eröffnet."
Dieser Zugang wurde zudem vor Kurzem prämiert: Fermenting Futures" wurde als Gewinner der Kategorie "Art and Science 2021" im Rahmen der jährlich stattfindenden Falling Walls Konferenz ausgewählt.
Ausstellungsbeginn März 2022
Die Eröffnung der Ausstellung des Projekts findet am 09. März 2022 im Künstlerhaus Wien statt. Bis dahin zeigt folgendes Video, wie Hefe unsere Geschichte geprägt hat und wie sie zu einer besseren Zukunft für uns alle beitragen kann.
Über die Künstler
Anna Dumitriu (UK) ist eine britische Künstlerin, die mit BioArt, Skulptur, Installation und digitalen Medien arbeitet, um in ihren Werken die gesellschaftliche Relevanz von Biotechnologie, synthetischer Biologie und Robotik zu untersuchen. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt, u. a. im ZKM, beim Ars Electronica Festival, im BOZAR, im Picasso Museum, im V & A Museum und im LABoral. Derzeit ist sie Gastwissenschaftlerin an der University of Hertfordshire, der Brighton and Sussex Medical School und der Waag Society. www.annadumitriu.co.uk
Alex May (UK) ist ein britischer Künstler, der sich mit der Frage beschäftigt, wie unsere individuellen und kollektiven Zeiterfahrungen sowie die Bildung von Erinnerungen und kulturellen Aufzeichnungen durch zeitgenössische Technologien vermittelt, erweitert und gesteuert werden. Er hat bereits im Francis Crick Institute, im Eden Project, in der Tate Modern, im HeK, beim Ars Electronica Festival, im LABoral und in der Science Gallery in Dublin und Bengaluru ausgestellt. Außerdem hat er ein Forschungsstipendium an der University of Hertfordshire. www.alexmayarts.co.uk
Über acib
Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMK, BMDW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.
Rückfragehinweise Anna Dumitriu https://annadumitriu.co.uk/contact/ Alex May https://alexmayarts.co.uk/contact/ Pressekontakt Martin Walpot, MA acib GmbH Head of Public Relations and Marketing Phone: +43 316 873 9312 E-Mail: martin.walpot@acib.at