Technologiegespräche - Informatiker: Daten-Kontrolle zurückgewinnen
In den vergangenen Jahren haben Datenschutz-Verletzungen das Vertrauen in die Wirtschaft und Unternehmen unterminiert. Zur Schaffung eines wieder vertrauenswürdigen Wirtschaftssystems plädierte der Informatiker und MIT-Professor Alex Pentland bei den Alpbacher Technologiegesprächen dafür, dass Menschen bzw. Gemeinschaften selbst über die Nutzung ihrer Daten entscheiden können sollen.
Pentland hat das Media Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT) mitbegründet und forscht vor allem auf den Gebieten Soziophysik, Big Data, Künstliche Intelligenz (AI) und Datenschutz. Darüber hinaus hat er Unternehmen gegründet und berät die UN bzw. war davor für Beratungsgremien von Firmen wie Google, Nissan und AT&T tätig.
"Wenn Sie eine vertrauenswürdige Wirtschaft aufbauen wollen, müssen Sie zunächst mit Verlässlichkeit und Kontrolle beginnen", argumentierte Pentland in einem Video-Beitrag. Heutzutage hätten die Menschen kein Vertrauen mehr in die Daten- und AI-Industrie, ja nicht einmal mehr in ihre Regierungen.
"Die Menschen wollen Kontrolle über ihre Daten haben und Ergebnissen vertrauen können, die durch Künstliche Intelligenz und die Nutzung ihrer Daten erzielt werden", argumentiert Pentland. Dafür brauche es zunächst Regularien wie Urheberrechte und eine Art digitale Identität: "Sie müssen die Möglichkeit haben zu sagen: Das gehört mir. Und Sie müssen ihr Territorium in der digitalen Sphäre abstecken können." In vielen Staaten sei dies nicht möglich.
Lizenzierung für Datennutzung nötig
Außerdem sollte man seine Daten nicht teilen müssen. Vielmehr sei eine Art Lizenzierung nötig: "Man soll sagen können, du kannst diese Daten für dies nutzen - aber eben nur für das", so Pentland. Mit "Open Algorithms" gebe es auch bereits eine Technologie dafür.
Verlässlichkeit sei aber noch nicht dasselbe wie Vertrauen, betonte Pentland. Vertrauenswürdig sei ein System für eine Gemeinschaft nur dann, wenn es in deren Interesse handle. Ausdruck dieses Vertrauens ist für ihn, wenn Menschen sich innerhalb ihrer Gemeinschaft und mit anderen Gemeinschaften austauschen und miteinander kommunizieren. Diese Kommunikation sei eine bemerkenswert guter Prädiktor für die Entwicklung des BIP oder Verbrechensraten, so Pentland. Gemeinschaften müssten daher anfangen, darüber zu entscheiden, wie ihre Daten genutzt werden.
"Daten-Gewerkschaften" wollen Kontrolle zurückgewinnen
Dafür gebe es auch Vorbilder in der Geschichte: Im späten 19. Jahrhundert hätten etwa Banken begonnen, Farmer auszubeuten - als Reaktion hätten diese Agrargenossenschaften gegründet und zurückgeschlagen. Um 1900 wären als Reaktion auf die Ausbeutung der Arbeitnehmer Gewerkschaften gegründet worden. "Jetzt sehen wir Menschen, die das gleiche tun. Sie formen Organisationen - ich nenne sie gerne Daten-Gewerkschaften -, um Kontrolle zurückzugewinnen und jene Services zu bekommen, die sie auch verdienen."
Derzeit würden etwa Banken versuchen, dieses Geschäftsfeld zu erschließen. "Sie wollen nicht die Daten dieser Gemeinschaften besitzen, sondern ihnen dabei helfen, sie zu managen." Das sei ein bisschen wie Vermögensverwaltung für Pensionsfonds. Verwendet würden die Daten etwa für wirtschaftliche Investitionen. "Die jüngsten Fortschritte in der Datenwissenschaft zeigen, dass Gemeinschaften durch die Nutzung ihrer Daten ihre wirtschaftliche Entwicklung dramatisch verbessern können - etwa durch die Entscheidung, was gebaut oder wo investiert werden soll. Sie können heute sogar die Verkäufe in einem Laden vorhersagen, der noch gar nicht existiert!"
Wenn "One size fits all" zu "One size fits none" wird
Das Problem heutzutage sei nur, dass nicht alle Investitionsentscheidungen für jede Gemeinschaft "passen", meinte Pentland. Das Modell "One size fits all" drehe sich hier auf "One size fits none" - dieses Problem müssten angegangen werden.
Ähnlich wie in der Wirtschaft verhalte es sich im Gesundheitsbereich. Jüngste Forschungsergebnisse hätten gezeigt, dass die Covid-19-Mortalitätsrate in armen Gemeinschaften viermal höher gewesen sei als in reichen, so Pentland. "Das liegt daran, dass wir ein Medizinsystem haben, aber kein Gesundheitssystem." Erneut zeige sich das Problem des "One size fits none": Gesundheitsfragen müssten den jeweiligen Gemeinschaften angepasst werden - "das darf keine zentralisierte Sache sein, wo dir nur geholfen wird, wenn du schon sehr krank bist".
Interessanterweise würden ärmere Staaten dies bereits berücksichtigen, weil ihnen die zentrale Infrastruktur fehle. Dort gingen mit Handys ausgestattete Krankenschwestern von Haus zu Haus, sammelten und überbrächten Informationen und verwiesen die Menschen an die richtigen Stellen. Das habe einerseits die Gesundheitssituation drastisch verbessert und andererseits Kosten gespart.
Service: http://go.apa.at/OB7vQIHl
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit dem AIT - Austrian Institute of Technology)