104 Jahre Geschichte der Akademie der Wissenschaften zum 175er
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) feiert heuer ihr 175-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben die Historiker Herbert Matis und Arnold Suppan ein Buch über die Geschichte der Gelehrtengesellschaft seit 1918 geschrieben und es mit dem Leitspruch der Aufklärung "Sapere aude" übertitelt. Dass man auf die ersten 71 Jahre der Akademie verzichtete, erklären die Autoren mit bereits früher erschienenen Werken über ihre Zeit in der Monarchie.
Auch wenn sich die ÖAW die Aufklärung auf die Fahnen schreibt, ihre Gründung verdankt sie zumindest formal dem autoritären Gegenspieler dieser Bewegung: Staatskanzler Clemens Fürst Metternich. Am 14. Mai 1847 unterzeichnete Kaiser Ferdinand I. dessen Anträge zur Gründung einer kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Weil über die Zeit der ÖAW vor 1918 bereits Arbeiten anlässlich des 50- und des 100-jährigen Bestandsjubiläums erschienen sind, wollten Matis und Suppan den Schwerpunkt ihres Buches "auf die Zeit seit 1918 legen und hier insbesondere zeitliche Zäsuren, strukturelle Veränderungen, Kontinuitäten und Brüche sowie die Entwicklung und die Leistungen der einzelnen Forschungseinrichtungen hervorheben", wie sie schreiben.
Beginn mit Jahressitzung 1918
So beginnen sie die chronologisch aufgebaute Geschichte der Akademie mit der Jahressitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften am 29. Mai 1918. Es sollte die letzte unter diesen Namen sein, die politischen Umwälzungen läuteten den Übergang von der kaiserlichen zur republikanischen Akademie ein. Deren erster Präsident Oswald Redlich wurde, der bis März 1938 die Geschicke der Akademie leitete. Auch in solch stürmischen Zeiten sah er die Akademie in der Pflicht, "die Fackel des Wissens leuchten zu machen und nicht verlöschen zu lassen".
Das Problem war, dass damals die nötigen finanziellen Mittel als Brennstoff für diese Fackel kaum vorhanden waren und Redlich daher bald über die "Not der Wissenschaft" klagte. Mit solchen Finanzkrisen war die Akademie bis ins neue Jahrtausend immer wieder konfrontiert, wie die Historiker anhand detaillierter Angaben über die Budgetsituation im Laufe der vergangenen mehr als 100 Jahre zeigen.
In der dunkelsten Epoche des Landes, in der man nicht der "Fackel des Wissens", sondern dem Irrlicht des Nationalsozialismus folgte, wurde auch an der Akademie "Gleichschaltung" mit Eifer betrieben und jüdische Akademiemitglieder aufgefordert, "freiwillig" auszutreten. In dem 450-seitigen Jubiläumsband werden dieser Zeit knapp 50 Seiten gewidmet, was vergleichsweise wenig erscheinen mag. Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass sich die ÖAW bereits 2013 anlässlich 75 Jahre "Anschluss" umfassend mit ihrer Geschichte und Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt, u.a. mit einem Symposium, einer Ausstellung und einem Sammelband.
Fokus auf "Gründerzeiten"
Ausführlich werden in dem Buch die "Gründerzeiten" der ÖAW ab Mitte der 1960er-Jahre beschrieben, die die Akademie in den vergangenen Jahrzehnten zusätzlich zur Gelehrtengesellschaft zur größten außeruniversitären Forschungseinrichtung des Landes gemacht haben. Dutzende Instituts- und Kommissionsgründungen inklusive Personalia und wissenschaftliche Leistungen sind dort detailliert nachzulesen. Schließlich widmet sich der Band auch den Strukturreformen, die die ÖAW seit der Jahrtausendwende umgesetzt hat. Auf die in dieser Zeit auch in der Öffentlichkeit ausgetragenen Diskussionen und Verwerfungen wie die Austritte prominenter Mitglieder oder von ÖAW-Mitarbeitern gebildete Initiativen wie "Rettet die ÖAW" wird dabei allerdings nicht eingegangen.
Wie wichtig der Mut zur Weisheit ("Sapere aude") auch heute noch ist, darauf verweist der amtierende ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. Er zitiert in seinem Vorwort zum Jubiläumsband den früheren Akademie-Präsidenten Werner Welzig, der schon 1997 bei der Feierlichen Sitzung der ÖAW gesagt hat: "Eine wissenschaftliche Einrichtung muss heute [...] in vielfältiger Weise auch als Aufklärer, als Vermittler und als Übersetzer tätig werden. Sie muss sich zu Wort melden. Sie muss deutlich, aber sie darf nicht doktrinär sprechen. [...] Und sie darf auch die gelegentliche eigene Unsicherheit über die Qualität neuen Wissens nicht verdecken. Einer Manipulation der öffentlichen Meinung hat sie jedoch nach allen Kräften sachbezogene Informationen entgegenzustellen. Wir müssen den Mut bewahren, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen."
Service: Herbert Matis, Arnold Suppan: "Sapere Aude. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften seit 1918", Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erschienen. 449 Seiten, 39 Euro