Forscher fanden Gen-Grundlage zur Schärfung der Wahrnehmung
An den Ursprung unserer Sinne hat sich ein internationales Forschungsteam mit Innsbrucker Beteiligung herangewagt. Im Fachblatt "Nature" beschreiben sie nun ein Gen, das in lebenden Fossilien und modernen Wirbeltieren vorhanden ist. Zwar wirkt es dort jeweils an anderen Stellen, bildet aber trotzdem die Basis für eine schärfere Wahrnehmung, die vor allem höher entwickelte Raubtiere brauchten.
Dafür benötigten diese zuerst einmal einen Kopf, in dem Sinneseindrücke effizient an das Gehirn weitergeleitet werden können. Um das zu bewerkstelligen, brauchten Tiere, die sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte anschickten, ihre komplexe Umwelt auch vielfältiger wahrzunehmen, u.a. sogenannte Kopfganglien. Dies sind Nervenknotenpunkte, die über das Haupt verteilt sind, und die vielfältigen Informationen der Sinnesorgane aufnehmen, heißt es am Mittwoch in einer Aussendung der Universität Innsbruck.
Woher diese Strukturen kommen, hat das Wissenschafterteam, zu dem auch die Gruppe um Ute Rothbächer am Institut für Zoologie der Uni Innsbruck gehörte, an Manteltieren erforscht. "Manteltiere sind gewissermaßen ein evolutionärer Prototyp für Wirbeltiere", so Rothbächer. Viel gemeinsam mit Seescheiden oder Neunaugen, einem an einen Aal erinnernden fischähnlichen frühen Wirbeltier, das sich seit gut 500 Millionen Jahren kaum verändert hat und als "lebendes Fossil" angesehen wird, haben höher entwickelte Wirbeltiere auf den ersten Blick jedoch nicht.
Genetische Codes schon in Manteltieren zu finden
Als die Lebewesenentwicklung noch auf die Meere beschränkt war, vollzog sich aber schon der Übergang von rein wirbellosen Lebewesen mit kopfähnlichen Strukturen zu Tieren, die schon neuartigere Köpfe ausbildeten. Ohne ein Haupt hätte es die Evolution beim Ausbau der Sinneszellen und der Nervenknotenpunkte jedenfalls schwerer gehabt.
Auf die Suche nach letzteren gingen die Forscher in besagten Manteltieren. Findet man dort wichtige Gene zur Nervenzellentwicklung, die man ebenso in höheren Wirbeltieren findet, müssen diese auf die letzten gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, die "wahrscheinlich einer Manteltier-Larve sehr ähnlich" war, so Rothbächer.
Dabei zeigte sich, dass die Kopfganglien von Wirbeltieren tatsächlich auf genetischen Codes und Abläufen fußen, die bereits in den Manteltieren zu finden sind. Dort sitzen die Ganglien aber im Schwanzbereich und sind neben der Signalverarbeitung auch an der Fortbewegung beteiligt. Die Bauanleitung für die Nervenknotenpunkte enthält ein Gen namens "Hmx", wie die Wissenschafter durch Manipulationen dieses Teils des Erbgutes in Manteltieren herausfanden.
"Hmx hat sich als zentrales Gen erwiesen, das über die Evolution hinweg konserviert wurde, also seine ursprüngliche Funktion und Struktur erhalten hat und in dieser Form vermutlich bereits im gemeinsamen Vorfahren von Wirbel- und Manteltieren zu finden war", so Alessandro Pennati, Doktorand in Rothbächers Arbeitsgruppe. Der Befund weise darauf hin, dass das Gen letztlich entscheidend für die Bildung von leistungsfähigeren Kopfsinnesorganen bei Wirbeltieren war, schließen die Forscher.
Service: https://dx.doi.org/10.1038/s41586-022-04742-w