Hispanoamerika wird im Spanischunterricht großteils ausgeblendet
90 Prozent der spanisch sprechenden Menschen leben in einem der überwiegend spanischsprachigen Länder Lateinamerikas. Im Spanischunterricht wird Hispanoamerika allerdings großteils ausgeblendet, zeigt eine Erhebung der Universität Wien unter Spanisch-Studienanfängern in Österreich und Deutschland (264 Befragte). Acht von zehn der angehenden Spanischlehrer gaben an, dass ihre Lehrer spanisches Spanisch gesprochen haben, hieß es in einer Aussendung der Uni.
Auch in Schulbüchern sei die Madrider Varietät dominant und authentische Begegnungen mit Muttersprachlern fanden im schulischen Rahmen vor allem mit Menschen aus Spanien statt, so das Ergebnis der Befragung. Dementsprechend schwer fällt es den Studienanfängerinnen und -anfängern auch, regionale Unterschiede in der gehörten Sprache zu erkennen. Bei einem Test konnten im Rahmen der Studie nur 26 Prozent der Befragten den Akzent von Mexiko identifizieren - mit 113 der insgesamt 442 Mio. Bewohner spanischsprachiger Länder immerhin das größte hispanophone Land der Welt. Der Madrider Akzent wurde von 68 Prozent der Studienteilnehmer erkannt.
Großes Interesse an Hispanoamerika
"Hier gibt es enormen Nachholbedarf", wird Sprachwissenschafterin Elissa Pustka zitiert, die die Studie mit Linda Bäumler durchgeführt hat. Sie verweist auf ein starkes Interesse der Studienanfänger an Hispanoamerika, der Großteil der Befragten wolle im Verlauf des Studiums vor allem hispanoamerikanische Varietäten kennenlernen (v.a. Mexiko, Argentinien, Peru).
Außerdem haben die beiden Forscherinnen bei zahlreichen Spanisch-Studentinnen und -Studenten einen inneren Konflikt festgestellt: Diese würden die Erwartung spüren, später im Unterricht kastilisches Spanisch zu sprechen, während sie ihre eigene Sprachkompetenz durch Reisen in der spanischsprachigen Welt oder Medienkonsum oft als hybrid wahrnehmen. Das sei zwar das natürliche Ergebnis authentischer Sprachkontakte, gelte jedoch - genauso wie das laut Aussendung in ganz Hispanoamerika akzeptierte "neutrale Spanisch" mexikanischer Synchronsprecher - "in der normativen Didaktik häufig noch als verpönt".
Die Wissenschafterinnen plädieren dafür, Schülerinnen und Schüler möglichst früh und viel mit Spanisch aus der ganzen Welt in Kontakt zu bringen. Auch an den Unis solle auf einen angemessenen Anteil hispanoamerikanischer Lehrender und Themen gesetzt werden.