Forscher wollen globalen Atlas der Huftier-Wanderungen erstellen
Jahr für Jahr ziehen weltweit Millionen Huftiere über weite Strecken, um Wetterunbill zu entkommen, Nahrung zu finden und sich fortzupflanzen. Doch vom Mensch geschaffene Barrieren und die Auswirkungen des Klimawandels erschweren diese Wanderungen zunehmend. Ein internationales Team von rund 100 Wissenschaftern und Naturschützern will nun den ersten globalen Atlas der Huftier-Wanderungen erstellen, um die Tiere besser zu schützen, berichten sie im Fachjournal "Science".
Werden neue Bahnstrecken, Straßen oder andere größere Bauwerke errichtet und damit Landschaften durchschnitten, kann das auch einen tiefen Einschnitt in die Lebensweise von Huftieren haben, die in vielen Regionen der Erde in Herden mitunter Hunderte Kilometer auf ihren Wanderungen zurücklegen. Auch wenn es international gute Beispiele für die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Tiere gibt, wie das Entfernen von Zäunen um die Gleise der Transmongolischen Eisenbahn, werden Lebensräume von Tieren auch weiter zu oft begrenzt, heißt es in einer Aussendung des US Geological Survey zu der wissenschaftlichen Initiative.
Bewusstsein für wild lebende Tierarten schaffen
Insgesamt 92 Forscher und Umweltschützer - darunter auch Petra Kaczensky vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien - wollen im Zusammenarbeit mit dem UN-Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten (CMS oder "Bonner Konvention") mit dem angepeilten Atlas mehr Bewusstsein schaffen. Die Veröffentlichung in "Science" soll den Startschuss für das "Global Initiative on Ungulate Migration" (GIUM) genannte Vorhaben darstellen.
Die Initiatoren wollen dort möglichst detailliert darstellen, wie sich etwa das Rotwild in Europa, die Karibus im Norden Eurasiens und Nordamerikas, die Saigaantilopen in Zentralasien, die Gnus in Afrika oder Guanakos in Südamerika durch ihre Umwelt bewegen. Zum Beispiel über GPS-Daten möchte man so zeigen, an welchen menschgemachten Hindernissen die Tiere auf ihren Wanderrouten vorbeikommen bzw. aufgehalten werden. Eine derartige Bestandsaufnahme habe es bisher noch nicht gegeben, so der Erstautor der Arbeit, Matthew Kauffman vom US Geological Survey: "Während Landschaften immer schwieriger zu überwinden sind, können die Karten dabei helfen, Naturschützern Hinweise auf Gefahren zu liefern und Lösungen zu finden."
Können sich die Huftiere immer weniger frei bewegen, hat das auch Auswirkungen auf Raubtiere, das Aussehen von ganzen Landstrichen, den Tourismus oder das Leben von Naturvölkern. In Kenia habe man zuletzt beobachtet, dass in einer Region durch planloses Hochziehen von neuen Zäunen oder Straßen die Wildbestände nahezu kollabierten. Der neue Atlas soll auch Politikern und anderen Entscheidungsträgern dabei helfen, bei Infrastrukturprojekten planvoller vorzugehen, hoffen die Wissenschafter. Auf der ganzen Welt gebe es mittlerweile auch zahlreiche Beispiele dafür, wie das Abschneiden der Wanderwege verhindert werden kann, wie etwa durch Brücken über Schnellstraßen, die in den vergangenen Jahrzehnten auch hierzulande umgesetzt wurden.
Service: Die Homepage der Initiative: https://www.cms.int/gium/migration-viewer; Die "Science"-Publikation: https://dx.doi.org/10.1126/science.abf0998