Physiker Laughlin: "Letztes Joule ist teuerstes"
Den Physik-Nobelpreis erhielt Robert B. Laughlin im Jahr 1998, für "die Entdeckung, dass Elektronen in starken Magnetfeldern eine sogenannte Quantenflüssigkeit bilden können". Nun hat sich der US-Forscher, der auch als Autor sowie als Karikaturist und Klavierkomponist tätig ist, brennenden wirtschaftlichen und politischen Fragen gewidmet: "Powering the Future" heißt seine umfangreiche und mit vielen Daten gefütterte Analyse über mögliche Zukunftsszenarien der Energieversorgung. Auf Deutsch ist "Der Letzte macht das Licht aus: Die Zukunft der Energie" im Piper Verlag erschienen, am 23. August ist Laughlin bei den Technologiegesprächen in Alpbach zu Gast. Im APA-(Mail-)Interview erklärt er, warum er die Energiekrise für dringender als die Klimakrise hält und weshalb er eine "verrückte Freude" damit hat, auf die Unbedenklichkeit von CO2 hinzuweisen.
APA: In ihrem Buch zeigen Sie sich weniger besorgt über Klimawandel und CO2-Ausstoß, als über die Verknappung fossiler Brennstoffe...
Laughlin: Im Grunde ja. Ich sorge mich auch über die Umwelt. Aber ich denke, dass die Energiekrise uns historisch früher erreichen wird als die Klimakrise. Wenn die fossilen Brennstoffe knapp werden, dann werden die Menschen beginnen, darum zu kämpfen. Ich denke also, die Klima-Energie-Diskussion dreht sich weniger darum, die Erde zu retten, als darum, seine Urenkel vor einem Krieg zu bewahren. Außerdem versuche ich in meinem Buch klarzumachen, dass die Zeitrechnung der Erde eine andere ist, als unsere.
APA: Sie meinen damit, dass selbst eine weltweite CO2-Reduktion die Probleme nur verzögert...
Laughlin: Ja. Wenn wir den CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduzieren, wird es einfach 20 Prozent länger dauern, bis alles Erdöl verbrannt und die gleiche Menge CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen ist. In der Zeitrechnung der Erde bedeutet das gar nichts. Abgesehen davon ist selbst das sehr unrealistisch: Das Kyoto-Abkommen ist nicht gescheitert, weil alle Regierungen der Welt böse sind, sondern weil niemand einen Weg gefunden hat, den Treibstoff-Verbrauch zu reduzieren, ohne dass dabei auch das Bruttoinlandsprodukt sinkt.
APA: Auch für den Umgang mit der Atomenergie ist ihre Prognose nüchtern: solange sie die billigste ist, wird es sie geben.
Laughlin: Ich sage, es mag in der Zukunft Atomkraft geben oder auch nicht, aber der Energiepreis wird nicht über den Preis von Atomenergie steigen. Wenn es billigere Alternativen zu Atomkraft gibt, gut. Wenn alle Alternativen teurer sind, werden die Menschen dem Weg der minimalen Kosten nicht widerstehen können. Sie werden sich Gründe ausdenken, warum ihre Eltern sich getäuscht haben und Atomkraft schon immer die beste Lösung war.
APA: In Österreich gibt es keine Kernkraftwerke, aber es wird Energie aus Atomkraft importiert.
Laughlin: Als ich mir die europäische Situation von 2009 gründlich angesehen habe, ist mir klar geworden: Diese Sache ist politisch so superheikel, dass man an die meisten Zahlen gar nicht herankommt. In Österreich will jeder glauben, dass das Land wegen seiner Berge, Flüsse und Dämme selbstversorgend ist. Die Regierungen stellen es so dar, um gewählt zu werden. Die echten Tatsachen sind dabei schwer aufzutreiben.
APA: Wenn es knapp wird, würde sich Ihrer Meinung nach also auch Österreich auf nukleare Energie besinnen?
Laughlin: Was passiert, wenn die Energie auch nur ein bisschen knapp wird, haben wir bei der Energiekrise 2000-2001 in Kalifornien gesehen: Es gibt Panik und die Preise steigen wie verrückt: Das letzte Joule ist das teuerste. In Kalifornien sind die Preise um das Zehn- bis Hundertfache gestiegen - diese Krise war übrigens der Grund, warum Arnold Schwarzenegger Gouverneur geworden ist.
APA: Als zukünftiges Problem adressieren Sie auch Batterien, etwa für Elektroautos. Sind diese Fahrzeuge also keine "grüne Lösung"?
Laughlin: Ich denke, dass die Umweltbewegung - die es geben wird, solange es Menschen gibt - schon bald zu Gegnern von Batterietechnologie werden wird, weil die Metalle darin langlebige Umweltgifte sind. Die andere Frage ist die nach Umweltschutzgesetzen. Elektroautos kann man nicht verordnen. Denken Sie nur an Züge, die wären noch viel "grüner" und die Zugnetze funktionieren hervorragend. Trotzdem wollen die Leute mit dem Auto fahren. Es gibt ökonomische Kräfte, die die besten Regierungen nicht kontrollieren können. Ich bin sehr für "grüne" Gesetze in meinem eigenen Land. Ich bin aber dagegen, so zu tun, als ob sie nichts kosten. Und ich bin dagegen, dass jemand anderer diese Kosten tragen muss.
APA: Als wertvolle Kohlenstoffquelle der Zukunft werten Sie brennbaren Müll. Wäre nicht die beste Lösung, alles zu recyceln, wie es die meisten natürlichen Ökosysteme tun?
Laughlin: Ich denke die Antwort ist ja, aber ich zögere, weil Recycling ein politisches Konzept ist. Natürlich wäre es gut, wenn all unser Müll brennbar wäre. Aber Recycling wie wir es heute kennen ist ziemlich verquer. Selbst wenn alles Plastik auf der Welt recycelt würde, hätte das kaum Einfluss auf den Kohlendioxid-Haushalt. Bei meinen Ausführungen über Müll geht es eigentlich um etwas anderes: Es macht mir wie verrückt Freude, darauf hinzuweisen, dass CO2 eigentlich das einzige Abfallprodukt der Menschheit ist, das nicht giftig ist. In Zukunft werden wir vielleicht Glas und Metall aus dem Müll verbannen und Gesetze machen, damit alles aus chlorfreiem Plastik hergestellt wird: Das kann dann verbrannt und als CO2 in die Luft recycelt werden.
APA: In Ihrem Buch geht es nicht nur um Ihre persönliche Meinung, sondern sie stützen sich auf große Datenmengen, die sie aufgearbeitet haben. Wann und warum haben Sie damit angefangen?
Laughlin: Ich habe 2007 begonnen, auf das Drängen einiger bedeutender Physikerkollegen, die der Meinung waren, dass Energiefragen die Zukunft der Physik sein würden. Was ich aber festgestellt habe, ist dass Energie nicht in erster Linie ein technisches Problem ist, sondern ein wirtschaftliches und politisches. Dennoch: Ein guter Physiker interessiert sich für viele Dinge und wie sie zusammenpassen und die Welt zu dem machen, was wir kennen.
Die Fragen stellte Jochen Stadler/APA
Service: Robert B. Laughlin, "Der Letzte macht das Licht aus - Die Zukunft der Energie", Piper Verlag, 400 Seiten, 23,70 Euro, ISBN : 978-3-492-05467-6.