Forschungsrat lässt über den Tellerrand blicken
Zu einem "Duden der österreichischen Zukunft" soll sich die im Vorfeld der Alpbacher Technologiegespräche präsentierte Publikation "Österreich 2050. Fit für die Zukunft" des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) entwickeln. Dabei wolle man neben Einzelbeiträgen von Experten etwa zu Bildung, Forschung, Energie, Demografie und Pensionen auch das "Big Picture" anbieten, so Geschäftsführer Ludovit Garzik.
In 22 Beiträgen widmen sich Autoren wie Wifo-Chef Karl Aiginger, IHS-Chef Christian Keuschnigg, der Demograf Wolfgang Lutz oder der Migrationsexperte Rainer Münz Gegenwartsdiagnosen wie Zukunftsvorschlägen. RFT-Chef Hannes Androsch zog bei der Präsentation Parallelen zur Forschung, die auch ein längerfristiger Vorgang sei. Mit dem Buch wolle man über "den begrenzenden Tellerrand hinausblicken" und auch "dem Wahlkampf etwas Zukunftsorientierung anmuten".
Androsch ortet "Reformstau"
"Wenn es einem gut geht, ist der Gestaltungs- und Veränderungswille auch mental eher schwach ausgeprägt", diagnostizierte Androsch. "Das ist verständlich, aber brandgefährlich." Er ortete einen "Reformstau": So gebe es etwa bei der Bildung im Allgemeinen einen Rückstand. An den Unis würden Berufungen scheitern - nicht wegen der Bezahlung, sondern weil die nötigen Arbeitsbedingungen nicht zur Verfügung gestellt werden können.
Im Forschungsbereich sei man etwas besser aufgestellt: "Aber aus der Dynamik Ende der 90er-Jahre bis 2008 ist eine Fast-Stagnation geworden", so Androsch. Heuer sei es durch zusätzliche Mittel aus der Nationalstiftung zwar etwas besser, aber nicht ausreichend, um in die Spitzengruppe vorzustoßen - was eigentlich das Ziel der Regierung gewesen wäre. Insgesamt habe man fünf Jahre an Dynamik verloren. Daher müssten im nächsten Regierungsprogramm den Zukunftsausgaben größere Bedeutung zukommen. Es gebe genug Einsparungsmöglichkeiten, um einerseits die Staatsschulden einzugrenzen und andererseits Geld für Zukunftsausgaben freizubekommen, verwies er auf die Hacklerregelung, die Pendlerpauschale, die Förderung von Biotreibstoffen, Bezirkshauptmannschaften, Landes- und Schulverwaltung.
Plädoyer für Autonomie der Schulen
Die Bildungspsychologin Christiane Spiel plädierte für eine stärkere Autonomie der Schulen: Schulleiter sollten Lehrern, die etwa Mentoring machen, mit weniger Unterrichtsstunden ausstatten können und andere Lehrer mit mehr. Es mangle heute an der Kombination aus Autonomie und gleichzeitiger Verantwortung - dafür gebe es keinen gesetzlichen Rahmen.
Der ehemalige Präsident des steirischen Landesschulrats, Bernd Schilcher, vermisste eine wirkliche Bildungspolitik. Derzeit betreibe man "maximal ideologische Klientelbefriedigung". Die ÖVP befinde sich in der Umklammerung der Lehrergewerkschaft, die SPÖ in jener ihrer Studentenvertreter und ihrer "Altlinken". Solange man nicht eine gewisse Pragmatik einreißen lasse wie in den angloamerikanischen Ländern oder sogar Deutschland, "müssen wir den Adler ersetzen durch den, der den Kopf in den Sand steckt".
Service: Rat für Forschung und Technologieentwicklung (Hsg.): "Österreich 2050 - Fit für die Zukunft", Holzhausen Verlag, 272 Seiten, 17,30 Euro, ISBN 978-3-902868-92-3