Polare Erwärmung höher als im globalen Mittel
Die durch den Klimawandel ausgelöste Erwärmung ist derzeit in den Polarregionen am stärksten. Mit einem Plus von 1,1 Grad Celsius im Mittel der vergangenen 50 Jahre sei sie fast doppelt so hoch wie im globalen Mittel (0,64 Grad), erklärte die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven (Deutschland), Karin Lochte, am 23. August bei einem Vortrag im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche. Auch die Vorhersagen seien nicht viel optimistischer, bis zum Ende dieses Jahrhunderts werde es mit einem Plus von sieben bis acht Grad die stärkste Erwärmung in der Arktis geben.
Diese Erwärmung hat dramatische Auswirkungen auf die Polarregion - einerseits auf das sich alle Jahre neu bildende Meereis, andererseits auf die Eisschilde in der Westantarktis und in Grönland, letzteres laut Lochte Effekte, die nur schwer umkehrbar seien. Das Abschmelzen habe nicht nur Auswirkungen auf den Meeresspiegel, sondern auch auf die Ozeanzirkulation, den größten Wärmeausgleich zwischen den tropischen und den Polarregionen.
Meerespiegel könnte stark steigen
Aus Sauerstoff-Isotopenmessungen wisse man, dass der Meeresspiegel vor drei bis fünf Mio. Jahren um rund 25 Meter höher gelegen sei. Das bedeute, dass damals Grönland und Teile der Antarktis eisfrei gewesen sein müssen. Denn ein Abschmelzen des grönländischen Eisschildes würde einen Meeresspiegelanstieg von sieben Meter bedeuten, ein Abschmelzen des westantarktischen Eisschildes drei bis fünf Meter und das vollständige Auftauen der - sehr stabilen - Ostantarktis würde nochmals 50 Meter draufsetzen. "Wir müssen überlegen, wie das in Zukunft weitergeht, denn die Temperaturen lagen damals um drei bis vier Grad höher als heute, und wir nähern uns diesem Wert", sagte Lochte, die darauf verwies, dass dies zu gravierenden Veränderungen auf der Erde führen werde.
Besonders betroffen von der Erwärmung ist das Meereis - mit weitreichenden Auswirkungen. So schützt laut Lochte dieses alljährlich durch das Gefrieren des Meeres entstehende Eis in der Antarktis den auf dem Wasser aufschwimmenden Eisschild. "Wenn nun, wie derzeit, das Meereis wegschmilzt, kann das warme Ozeanwasser unter den Eisschild eindringen und von unten anlösen", so die Wissenschafterin. Zudem würde dadurch die Kontaktlinie zwischen Eis und Meeresboden nach hinten verschoben, das Eis werde angeschmolzen, beweglich und breche in Form großer Eisberge ab. Bis Ende des Jahrhunderts werde dadurch sehr viel Eismasse in der Westantarktis verloren gehen.
Tauwetter in der Arktis
Auch in Grönland sei in den vergangenen zehn Jahren sehr viel Eismasse verloren gegangen, Lochte sprach von 220 Gigatonnen pro Jahr, ein Verlust, der sich um 15 Gigatonnen pro Jahr beschleunige. Auch beim arktischen Meereis seien Verluste von zwölf Prozent pro Dekade zu verzeichnen.
Das alles wirkt sich auf den Meeresspiegel aus, der zwischen 1900 und 2000 um rund 1,7 mm pro Jahr gestiegen sei. Im Augenblick liege der Anstieg aber schon bei drei Millimeter pro Jahr. Etwa die Hälfte dieses Anstiegs sei auf das Abschmelzen des Eises zurückzuführen, die andere Hälfte auf das größere Volumen des wärmeren Meerwassers.
Viele Menschen unmittelbar betroffen
Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter würde nicht nur zu Überflutungen großer Landmassen vor allem in Asien führen. Man werde auch große Schwierigkeiten haben, die großen Flußdeltas, etwa von Ganges, Mekong oder Nil zu schützen, wo Millionen Menschen leben. Auch Europa wäre in seiner ökonomischen Entwicklung stark betroffen, weil viele Städte in den Flachländern an der Küsten liegen, sagte Loche.