Der Medizinprodukte-Tag 2014 - vom Skandal zu mehr Sicherheit
Risikomanagement im Gesundheitswesen: Je komplexer das System, desto fehleranfälliger ist es. Aber gerade im Gesundheitswesen kann man sich kein Risiko leisten. Der TÜV AUSTRIA Medizinproduktetag 2014 beleuchtete auch dieses Jahr alle Blickwinkel entlang der Distributionskette, denn von HerstellerInnen über EinkäuferInnen bis hin zu AnwenderInnen soll vor allem eines gewährleistet werden: Die Patientensicherheit. Aber sind Patienten wirklich sicher?
'Das Spital als Ort der Qual', 'Pro Tag 7 Pfusch Tote' - wer solche Pressemeldungen liest, der hinterfragt die Patientensicherheit im österreichischen Gesundheitswesen. Aber stimmen die Berichte oder ist doch alles nur Panikmache? Dr.in Brigitte Ertl vom Krankenhaus Hietzing hatte am Medizinproduktetag die Zahlen parat: 'Bei 2,5 Millionen Spitalsfällen pro Jahr in Österreich treten 10.000-20.000 vermeidbare, unerwünschte Ereignisse auf, 2.500 dieser Ereignisse enden tödlich. Und jeder einzelne Todesfall ist zu viel'.
Der Anwender
Das Critical Incident Reporting System (CIRS) soll die Patientensicherheit verbessern. Das Berichtsystem zur anonymisierten Meldung von kritischen Ereignissen und Beinahe-Schäden macht Probleme sichtbar und bezieht alle MitarbeiterInnen ein, das Pflegepersonal genauso wie Ärzte/Innen oder die IT-Abteilung. Die eingegangene Meldung, wie zum Beispiel die Verwechslungsgefahr bei Namensähnlichkeit, wird zuerst analysiert und dann Lösungsvorschläge an die Abteilungsleitung bereitgestellt. So konnte man im Krankenhaus Hietzing bereits das immer wieder aufkehrende Problem der 'Ärzteklaue' in den Griff bekommen: Wenn das Pflegepersonal die Handschrift nicht lesen kann, wird das Medikament nicht ausgegeben und der Arzt/die Ärztin, falls wirklich erforderlich, auch um 2 Uhr morgens noch aus dem Bett geläutet.
Der Hersteller
Bericht erstatten, Meldung machen. Das Meldesystem ist nicht nur im Krankenhaus wichtig, sondern entlang der gesamten Distributionskette. DI Meinrad Guggenbichler von AGES erörterte in seinem Vortrag die Meldepflicht bei Vorkommnissen - HerstellerInnen müssen schwerwiegende Qualitätsmängel, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen melden und gegebenenfalls korrektive Maßnahmen einleiten. Meldepflichtig sind aber nicht nur HerstellerInnen, sondern auch der AnwenderInnen, HändlerInnen und die Prüfstelle.
Medizinprodukte Tag 2014
Damit nichts erst passiert, wenn das Medizinprodukt schon auf dem Markt ist, ist die Aufdeckung von möglichen Gefahren bereits bei der Herstellung entscheidend. Dominik Lirsch von Carl Reiner GmbH konzentrierte sich in seinem Vortrag auf ein von Carl Reiner entwickeltes Beatmungsgerät und veranschaulichte dessen Risikopotential von der Entwicklung über die Elektrik bis hin zur Entsorgung. Sein Fazit: AnwenderInnen gehören zu den größten Gefahrenquellen, sie sind aber auch der beste Motor für Innovationen und Entwicklungen, die HerstellerInnen eventuell nicht bemerkt hätten.
Der Einkäufer
Ing. Walter Vozi vom Wiener Krankenanstaltenverbund achtet beim Einkauf natürlich ebenfalls auf fehlerfreie Produkte. Aber auch andere Kriterien sind ausschlaggebend zur Wahl für oder gegen ein bestimmtes Medizinprodukt und dabei geraten auch immer mehr die ArbeitnehmerInnen selbst in den Fokus: Die Referenzen, die Qualifikation und die Erreichbarkeit der AnbieterInnen sind ebenso wichtig wie eine gut geführte Dokumentation, eine Einschulung am Gerät und Eingangsprüfungen.
Das Gesetz
Ein weiteres, wirksames Tool zur Verbesserung der Patientensicherheit ist die Gesetzgebung. Nach dem Medizinprodukteskandal rund um die Firma PIP, die wegen geplatzter und undichter Brustimplantate weltweit Aufsehen erregte, wird die Medizinprodukterichtlinie nun umfangreicher überarbeitet als ursprünglich geplant. Strengere Überwachung und unangemeldete Kontrollen sind genauso Teil dieses neuen Entwurfs wie neue Regeln zur Wiederaufbereitung und höhere Anforderungen an klinische Prüfungen. Ebenfalls neu ist ein System zur Rückverfolgbarkeit und ein Implantate-Pass, sagte Mag. Philipp Lindinger von Austromed in seinem Vortrag. DI Michael Pölzleitner von TÜV AUSTRIA Services ergänzte den Vortrag um den Blickwinkel des Notified Bodys und zeigte auf, was sich für die Benannten Stellen künftig ändern wird, zum Beispiel verstärkte Qualifikations-Anforderungen und eine Rotation der Auditoren.
Das Recht
Ob ein/e Chirurg/in einen Schnitt falsch setzt, kann nachher oft nicht nachvollzogen werden. Ob der Defibrillator nicht richtig funktioniert hat, allerdings schon. Wer dann rechtlich zur Verantwortung gezogen wird, ist von Fall zu Fall verschieden, wie Mag. Gregor Olivier Rathkolb erläuterte. Prinzipiell gelten in Haftungsfragen drei Gesetzbücher: das Produkthaftungsgesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch und das Strafgesetzbuch. Wie diese drei zusammenwirken und welche neuen Gesetze auf uns zukommen, war Gegenstand von Mag. Rathkolbs Vortrag.
Fotogalerie: TÜV AUSTRIA Medizinprodukte Tag 2014
Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Michael PÖLZLEITNER Leiter Geschäftsbereich Medizintechnik, Nachrichtentechnik / EMV Deutschstraße 10 1230 Wien Tel.: +43 (0)1 610 91-6501 Fax: +43 (0)1 610 91-6505 E-Mail: mt@tuv.at