Wasser lässt Objekte bei Berührung elektrische Ladung austauschen
Kommen Oberflächen miteinander in Kontakt, können sie elektrische Ladungen austauschen - das hat jeder schon beim Öffnen einer Tür oder beim Händeschütteln erfahren. Der dahinter stehende Mechanismus ("Kontaktelektrizität") beschäftigt Forscher schon seit Jahrhunderten, ohne bisher vollständig verstanden worden zu sein. Forscher des ISTA in Klosterneuburg (NÖ) berichten nun im Fachjournal "Physical Review Letters", dass Wasser eine wichtige Rolle bei dem Prozess spielt.
Der elektrische Schlag beim Berühren eines Gegenstands ist das bekannteste Beispiel für die "Kontaktelektrizität". Es können sich aber auch enorme elektrische Potenziale aufbauen, wenn viele Teilchen wie Sandkörner oder Staubpartikel zusammenstoßen oder aneinander reiben. Das kann dramatische Folgen haben und zu spektakulären Entladungen führen - etwa wenn sich Staub-Luftgemische entzünden oder Blitze in einem Sandsturm oder bei einem Vulkanausbruch entstehen.
Mechanismus noch unklar
Unklar dabei ist der zugrunde liegende Mechanismus - wie mehr oder weniger identische Teilchen Ladungen austauschen können, also eines zum Ladungsspender und ein anderes zum Ladungsempfänger wird. Erschwerend für das Verständnis ist die große Anzahl verschiedener Faktoren, die am Ladungsaustausch beteiligt sind, etwa die Größe und Rauheit der Partikel oder Temperatur und Feuchtigkeit der Umgebung. Dem entsprechend gibt es unterschiedliche theoretische Modelle für das Phänomen.
Bisherige Experimente zur Überprüfung solcher Modelle funktionieren nur für eine größere Partikelzahl gut, für einzelne Körner sind sie zu grob. Zudem liefern sie nur Informationen über die Gesamtladung eines Partikels, nicht aber über die räumliche Verteilung der Ladung in dem Korn. Die Physiker Galien Grosjean und Scott Waitukaitis vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) haben nun in einem neuen Experiment gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ladungsaustausch zwischen zwei Objekten aus demselben Material und dem Vorhandensein von Wassermolekülen auf ihrer Oberfläche besteht.
Ladungsaustausch bei Kontakt
In dem Experiment bringen sie ein einzelnes Körnchen aus Siliziumdioxid mit einem Durchmesser von 500 Mikrometer in einer Akustikfalle mithilfe einer stehenden Schallwelle über einer ebenfalls aus Siliziumdioxid bestehenden flachen Scheibe zum Schweben und lassen es dann - durch Ausschalten der Schallwelle - kurz mit der Scheibe kollidieren. "Wenn das Teilchen die Platte berührt, findet der Ladungsaustausch statt", erklärte Waitukaitis gegenüber der APA.
Gleich nach der Kollision wird der Schall wieder eingeschaltet und ein elektrisches Feld an die Falle angelegt, dessen Frequenz variiert. Dadurch beginnt das nun wieder schwebende Siliziumkörnchen zu schwingen. Mithilfe einer Hochgeschwindigkeitskamera können die Forscher dann aus der Beschleunigung des Korns seine elektrische Ladung bestimmen.
In einer Serie von Experimenten ließen die Forscher das Körnchen wiederholt auf die Platte aufprallen und zeigten, dass die Ladung des Teilchens linear mit der Anzahl der Zusammenstöße zunimmt. Dies schließt die Möglichkeit aus, dass Ladungsspender und -empfänger zufällig über die Oberfläche eines Materials verteilt sind, wie es theoretische Modelle nahelegen. Der Mechanismus sei eindeutig kein lokales Phänomen, sondern beruhe auf einer kornweiten Eigenschaft, betonen sie.
In einer weiteren Versuchsreihe entfernten sie die gesamte Ladung des Körnchens und der Scheibe nach jeder Berührung mit Hilfe von Röntgenstrahlung, die die umgebende Luft ionisiert, und damit den Aufladeprozess vollständig zurücksetzt. "Wir konnten dabei zeigen, dass die Verteilungen der ausgetauschten Ladungen empfindlich von der Vorgeschichte der Objekte abhängt, etwa wie Körnchen und Platte vor der Verwendung gereinigt oder erhitzt wurden, vor allem aber von den Feuchtigkeitsbedingungen", so Waitukaitis.
Sie kommen zu dem Schluss, dass die Ursache für den Ladungstransfer nicht im Material selbst liegt, sondern von der Adsorption von Molekülen an der Oberfläche der Objekte. Speziell Wassermoleküle dürften eine entscheidende Rolle spielen: "Wasser scheint dabei sehr wichtig zu sein, wenn es vorhanden ist", betonte der Physiker. Fehlt es, könnten aber auch andere Mechanismen im Spiel sein.
Service: Internet: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.130.098202; Video zum Experiment: http://go.apa.at/E5H7cotG