Experte ortet Innovationslücken
Innovationslücken in den Bereichen Energieerzeugung, individuelle Mobilität und Transport, effizientere Nahrungserzeugung sowie Vorbeugung und Bewältigung systemischer Krisen etwa an den Finanzmärkten ortete der Physiker und ehemalige Direktor bei der Unternehmensberatung McKinsey, Lothar Stein, bei den Technologiegesprächen des Forum Alpbach. In diesen Bereichen müsse die Innovationsgeschwindigkeit durch staatliche Initiativen und Förderungen von Grundlagenarbeiten und Anwendungen gezielt erhöht werden, da die wirtschaftliche Eigendynamik nicht ausreichen werde.
Im Bereich der Energieversorgung bedürfe es etwa intensiverer Forschung im Bereich Meereswellen, so Stein bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Future Innovation - International Perspectives". Diese könnten ein gigantischer Energielieferant sein und bis zu 30 Prozent des Energiebedarfs der Welt decken. Größeres Augenmerk müsse auch auf die Energiespeicherung gelegt werden. Um zu einem Anteil von 30 oder 40 Prozent alternativer Energieversorgung durch Sonne, Wind oder Meereswellen zu kommen, bedürfe es des fünf- bis zehnfachen Volumens der derzeitigen Speicherkapazitäten.
Wechselseitige Bedingungen
Als weiteres Beispiel nannte Stein die Nahrungsmittelerzeugung. Wenn die Entwicklungsländer auf das Niveau des Fleischverbrauchs der entwickelten Länder kommen würden, könne sich das bei der Versorgung einfach nicht ausgehen. Eine Lösung wäre Fisch: Dieser sei drei- bis zehnmal so effizient wie das Fleisch von Landlebewesen. Problem dabei sei nur die Überfischung der Meere - dies habe man zwar erkannt und auf Fischzucht gesetzt: "Wir haben aber nicht genug Fisch aus dem Meer, um die Fische in den Fischfarmen zu füttern." Man müsse also alternative Fischnahrung finden, die ausreichend sei und gleichzeitig "uns auch die Fische schmecken lässt".
Als Innovations-Quellen identifizierte Stein neben dem Internet weiters die Gentechnologie, Informationstechnologie, Nanotechnologie sowie den 3D-Druck. Hier würden sich in den nächsten Jahrzehnten unabsehbar viele Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Diese würden sich oft wechselseitig bedingen. So seien die Fortschritte in der Gentechnologie nur möglich, weil es immer schnellere Computer gebe, die die Daten auch analysieren. Um das menschliche Genom zu entziffern, habe es 13 Jahre und eines Aufwands von rund drei Milliarden Dollar bedurft. Heute werde ein Genom in ein paar Tagen und um ein paar tausend Dollar zerlegt, künftig werde dafür vermutlich eine Stunde und ein paar Dollar ausreichen.
Innovationsgeschwindigkeit steigt
Immer schneller würden auch die Innovationsprozesse, meinte Stein. Tablet-PCs seien die Konsumgüter mit der höchsten Wachstumsrate: In drei Jahren seien 140 Mio. Stück verkauft worden - im gleichen Zeitraum nach ihrer Entwicklung habe man dagegen gerade ein paar Mio. Handys abgesetzt.
Um ihre Innovationsgeschwindigkeit ebenfalls zu verbessern, riet Stein großen Firmen zum Aufkauf von Start-Ups. Dies hätten etwa Apple oder Google bereits erkannt: Apple habe in den vergangenen zehn Jahren 30 solcher junger Firmen erworben, Google 100. Derzeit kaufe Google sogar 20 solcher Unternehmen pro Jahr. Firmen wie Siemens oder Philips hätten dies hingegen bisher nicht geschafft, viele ihrer Versuche hätten im Desaster geendet.