Grazer Klimaforscher berechnen Schmelzereignisse an Grönlands Seen
Wenn die Schneedecken auf den grönländischen Seen aufgrund der wärmeren Temperaturen früher dahinschmelzen, kann sich ihr Wasser über einen längeren Zeitraum stärker aufheizen. Forschende der Universität Graz haben dazu Daten erhoben und machen auf die weitreichenden möglichen Folgen des sich verändernden Energiehaushaltes der Seen aufmerksam.
Grönland - die größte Insel unseres Planeten - hat rund 155.000 Seen. Alleine diese nehmen rund die eineinhalbfache Fläche von Österreich ein. Die Forschungsgruppe Climate Change in Mountain Regions (CCM-MoRe) der Universität Graz hat diese näher unter die Lupe genommen. Genauer gesagt, ihre Bedeckung mit Schnee und Eis. Anhand von Satellitendaten der Sentinel-1-Radarsatellitenmission aus den Jahren 2017 bis 2021 haben sie das jährliche Abschmelzen der Eisbedeckung von mehr als 560 dieser Seen im Süden, Südwesten und Nordwesten von Grönland analysiert.
Dabei zeigten sich schon in dem engen Studienzeitraum deutliche zeitliche Unterschiede. Die mittleren Aufbruchdaten der 563 untersuchten Seen liegen zwischen dem 8. Juni und dem 10. Juli, wobei der früheste im Jahr 2019 und der späteste im Jahr 2018 lag. "Die hohen Temperaturen von 2019 ließen die Seen um rund zwei Wochen früher aufbrechen als im beobachteten Durchschnitt", veranschaulichte Christoph Posch vom Institut für Geografie und Raumforschung der Uni Graz.
Wenn die Gewässer acht Tage früher eisfrei sind, bedeutet das bis zu einer Tiefe von 35 Metern einen Anstieg ihrer Temperatur um ein Grad Celsius. "Rechnet man diese zusätzliche Wärmeenergie der rund 500 von uns untersuchten Seen entlang der Süd- und Westküste Grönlands zusammen, könnte man damit einen Eiswürfel mit einer Seitenlänge von 7,4 Kilometern schmelzen", gab Posch zu bedenken.
Die Forschenden erkannten auch einen starken Zusammenhang zwischen dem Aufbrechen des Seeeises und der Höhenlage der Seen, während kein Zusammenhang mit Breitengrad und Seefläche beobachtet werden konnte. So lagen die mittleren Starts der Auflösung der Eisbedeckung der Seen pro 100 Meter Höhenunterschied um je drei Tage später.
Mehr Sonnenstrahlung dringt in den See ein
Schnee und Eisschicht reflektieren rund 80 bis 90 Prozent des sichtbaren Lichtes. Je weniger Eis und Schnee auf den Wasserflächen liegen, umso mehr Sonnenstrahlung kann in den See eindringen. So kann eine offene Wasserfläche lediglich 20 Prozent der Sonnenstrahlen wieder zurück in die Atmosphäre strahlen. Das bewirkte eine Stärkere Erwärmung des Wassers. Das wirkt sich auf die Ökosysteme aus. "Die Wassertemperatur beeinflusst den Sauerstoffgehalt und damit das Leben in den Seen, die Eisschmelze außerdem den Süßwasserzufluss in die Fjorde", schildert Jakob Abermann, Assistenzprofessor am Institut für Geografie und Raumforschung der Universität Graz.
Die Klimaszenarien deuten darauf hin, dass es zunehmend zu einem früheren Aufbrechen der Seen kommen wird als bisher. Das wird laut den Grazer Forschern über Grönland hinaus Folgen haben: "Änderungen der Eisflächen in Grönland und der Arktis beeinflussen das Wetter sowie längerfristig das Klima in Europa", so Jakob Abermann, Arktisforscher aus der Grazer Gruppe. Er plant mit seinem Team ähnliche Untersuchungen für alle saisonal eisbedeckten Seen der gesamten Planeten.
Service: Ch. Posch, J. Abermann, T. M. Ferreira da Silva: "Lake Ice Break-Up in Greenland: Timing and Spatio-Temporal Variability", The Cryosphere, Volume 18, issue 4, https://doi.org/10.5194/tc-18-2035-2024