Patente: "Europa importiert wirtschaftliche Monopole"
Nichteuropäer haben im Jahr 2011 beim Europäischen Patentamt wesentlich mehr Patente angemeldet als Erfinder aus EU-Staaten. Von den insgesamt rund 245.000 Patentanmeldungen entfielen demnach nur knapp 38 Prozent auf Mitgliedstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ; EU-Länder plus elf weitere Staaten), so der Präsident des Österreichischen Patentamtes, Friedrich Rödler, bei einer Pressekonferenz am 23. August im Vorfeld der Technologiegespräche beim Forum Alpbach. Patente würden im Endeffekt Monopole darstellen und Verwertungsrechte sichern, betonte Rödler: "Das heißt, wir importieren wirtschaftliche Monopole Dritter in den europäischen Raum."
2011 betrug die sogenannte "Patentaktivität" der Europäer beim Europäischen Patentamt 152 Anmeldungen pro Million Einwohner. Zum Vergleich: Aus Japan stammen 370 Anmeldungen pro Million Einwohner, aus Südkorea 265, aus Israel 212 und aus den USA 192. Singapur hat in Europa mit 151 Anmeldungen ebenfalls bereits "europäisches Niveau" erreicht. Österreich liegt mit 280 Anmeldungen pro Million Einwohnern weit über dem EU-Schnitt.
China auf der Überholspur
Abseits dieser Zahlen tickt laut Rödler aber noch eine "Bombe": China kommt zwar derzeit nur auf einen Wert von 13 Anmeldungen pro Million Einwohnern beim Europäischen Patentamt. Beim Chinesischen Patentamt seien 2011 aber rund 1,1 Mio. Patentanmeldungen erfolgt, 90 Prozent davon von Chinesen selbst, so Rödler. Das entspricht einem Wert von 740 Innovationen pro Mio. Einwohnern und damit um 200 mehr als im Jahr davor. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis diese "übervoll gefüllte Pipeline" nach Europa fließe. "Die Ware Erfindung wird in Zukunft auch aus dem chinesischen Raum importiert", meinte Rödler. "Wir sind gewohnt, die Chinesen nur als Kopiervolk zu sehen und übersehen, dass dort eine gewaltige Innovationsmacht entsteht."
Die Reaktion Europas: "Wir diskutieren seit 50 Jahren über die Einführung eines gemeinsam gültigen, unmittelbar wirkenden Patents in der EU", so Rödler. Zwar gebe es ein einheitliches Patenterteilungsverfahren für die EPÜ-Staaten, jedoch keinen unmittelbar wirksamen Rechtstitel und keine übernationale Gerichtsbarkeit. Ein Grund ist die "Sprachendiaspora": So sei die geplante Reduktion auf nur drei Sprachen (Englisch, Französisch, Deutsch) beim Patentverfahren auf Widerstand Spaniens und Italiens gestoßen. Weiteres Problem: Der Streit um den Sitz der zentralen Kammer des EU-Patentgerichts. Nach einem Dreikampf zwischen London, Paris und München wurde die Frage so gelöst, dass Paris ein "Haupt-Sitz" zugesprochen und London und München mit Niederlassungen getröstet wurden: "So kann das nicht funktionieren."
Zersplitterung auch in Österreich
Ähnliche Probleme gibt es in Österreich: Die Zuständigkeiten für den Schutz geistigen Eigentums sind nach wie vor auf Infrastruktur-, Justiz- und Finanzministerium zersplittert. "Wir klonen nach, was wir in Europa als uneinheitlich kritisieren", so Rödler. Das Patentamt plane trotzdem die Schaffung eines Kompetenzzentrums für alle Spielarten geistigen Eigentums. Realistischerweise werde sich vor den Wahlen aber nichts bewegen. Für den Donauraum wird derzeit eine grenzübergreifende Kooperation auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutz erarbeitet - derzeit bereitet Österreich mit Ungarn und Rumänien ein solches Projekt vor. Das "Danube Patent Institute" soll den beteiligten Staaten einen beschleunigten Zutritt ins internationale Patentsystem bieten.