Identität 2.0: Der digitale Mensch
Was mit E-Mail und Handy begonnen hat, findet in Form von sozialen Netzwerken, Blogs und Foren seine Fortsetzung, ohne dort halt zu machen: die digitale Identität wächst und wächst. Zumindest potenziell. Mitmachen muss man nicht - oder doch? Beim Europäischen Forum Alpbach, das sich in diesem Jahr dem Querschnittsthema "Digitale Welten" widmet, wird auch die "Identität 2.0" beleuchtet. Christian Klobucsar, Chefredakteur von "Austria Innovativ" beantwortet Fragen von APA-Science.
APA-Science: Herr Klobucsar, was ist eine digitale Identität bzw. ab wann spricht man davon und was gehört dazu (Handy, Website, Social-Media-Profil, schnelle Beantwortung von E-Mails, Aktivität in Foren,...) jetzt und vielleicht in Zukunft?
Klobucsar: Aus meiner Sicht zählen zu einer digitalen Identität sämtliche elektronischen Möglichkeiten, die eindeutig zuordenbare digitale Fußspuren hinterlassen können. Dazu zählt das Handy (inkl. Vorratsdatenspeicherung) ebenso, wie der Reisepass mit RFID-Chip bis hin zu meinen persönlichen Surfgewohnheiten im Web.
APA-Science: Bin ich mein Avatar? Wie identitätsstiftend für eine Person ist das digitale Pendant?
Klobucsar: Die Grenzen zwischen physischer Identität und digitalem Alter Ego verschwimmen zunehmend. Ob das eine positive oder negative Entwicklung ist, lässt sich aus heutiger Sicht noch nicht beurteilen.
APA-Science: Digitale Welt vs. Realität - was überwiegt: reale Berührungspunkte oder Wunschdenken bzw. Selbstmarketing? Sehen Sie eine Art „Zersplitterung“ (meine Fotos auf flickr, mein professionelles Auftreten auf xing / linkedin, mein Privatprofil auf facebook, ein Privathandy, ein Diensthandy, etc.)
Klobucsar: Wie bei allem im Leben macht die Dosis das Gift. Zur Gefahr wird die digitale Welt für jene Menschen, die durch den Magnetismus der Cyber-Reality die Bodenhaftung in der echten Welt verlieren und ihren Avatars zu viel Raum bzw. Aufmerksamkeit geben. In der von Ihnen angesprochenen „Zersplitterung“ sehe ich im Übrigen ebenfalls eine Gefahr, da das portionierte Veröffentlichen persönlicher Daten als ungefährlich empfunden wird. Wie leicht durch das Zusammenführen derartiger Infos Persönlichkeitsprofile erstellt werden können, sollte also noch stärker bewusst gemacht werden.
APA-Science: Verändert sich das Berufs-/Privatleben „digitaler Menschen“, und wenn ja, wie?
Klobucsar: Selbstverständlich verändert sich durch die digitale Revolution unsere komplette Erlebniswelt – und zwar in dramatischem Tempo. Jeder einzelne kann das an sich selbst beobachten, indem er sich überlegt, wann er das letzte Mal einen Brief in den Postkasten geworfen hat.
APA-Science: Wie schlimm ist es, keine digitale Identität zu haben - ist das noch möglich?
Klobucsar: Eine interessante Frage! Jene Menschen, über die im Internet nichts gefunden werden kann, bzw. die digital nicht ausgemacht werden können, machen sich aus meiner Sicht jedenfalls ein wenig verdächtig. Denn um keine digitalen Fußspuren zu hinterlassen, bedarf es gewaltiger Anstrengungen.
APA-Science: Welche Rolle spielt die Digitalisierung des Wissens für die Identität 2.0?
Klobucsar: Die Digitalisierung des Wissens zählt für mich als zentrale Errungenschaft der digitalen Revolution. Entwicklungssprünge und Wissenserweiterung werden derart dramatisch beschleunigt.
APA-Science: Welchen Beitrag erwarten Sie sich von den einzelnen Teilnehmern am Workshop?
Klobucsar: Wenn es uns gelingen sollte, im Rahmen unseres Arbeitskreises Empfehlungen zu erarbeiten, wie sich Bürger und Bürgerinnen mit ihren digitalen Identitäten sicher im Netz bewegen können, haben wir bereits viel erreicht.
Das Interview führte Thomas Altmutter / APA-Science