Evolutionstreiber Hefe
Die Hefe ist wohl der einflussreichste Pilz, den der Mensch bereits seit Jahrtausenden nutzt. Sein Potenzial ist lange noch nicht ausgereizt. Darauf geht das Projekt “Fermenting Futures” gezielt ein. Die beiden Künstler Anna Dumitriu und Alex May verbinden dabei rund um die Hefe Bio Art, digitale Technologien, Skulptur, Kunsthandwerk und Installation.
Entstanden ist das Projekt in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe unter der Leitung von Diethard Mattanovich vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und dem Institut für Mikrobiologie und Mikrobielle Biotechnologie der BOKU Wien.
Am Anfang der Sesshaftwerdung des Menschen war der Hefepilz wahrscheinlich ein maßgeblicher evolutionärer Treiber. Um Getreide für Brot und Bier anzubauen, musste der bis dahin nomadische Mensch eine gewisse Zeit an einem Ort bleiben. Die beiden Künstler nehmen darauf ganz konkret Bezug, erklärt Mattanovich gegenüber APA-Science. Gleichzeitig sehen sie sich an, wohin es mit einer derartigen Technologie noch gehen kann. Genau das hat Mattanovich fasziniert, „welche Aspekte man Schicht für Schicht aus den Arbeiten herausholen kann“.
Fermenting Futures
Auf diese evolutionäre Qualität der Hefe gehen Dumitriu und May z. B. dahingehend ein, indem sie mit Hilfe von Hefestämmen aus Mattanovichs Labor Häuser, ja gar einen ganzen Ort, entstehen lassen – sie schaffen humane Kultur. May: „Seit der Gründung menschlicher Siedlungen hat die Hefe unser Verständnis der Vergangenheit durch bioarchäologische Eingriffe an historischen Stätten geprägt und ist heute wichtiges, biotechnologisches Laborinstrument.“
Eine zentrale Intention des Projekts ist es, diesem bisher unterrepräsentierten Forschungsbereich mit großem Potenzial mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Derartige Projekte seien förderlich für die Verständlichkeit und Anschaulichkeit von wissenschaftlichen Ergebnissen, so Mattanovich.
Was im Labor passiert
Die acib-Forscher wenden in ihren Forschungsarbeiten Methoden der synthetischen Biologie an. Sie rekonstruieren die Genome verschiedener Hefearten und versuchen, die Evolution des Pilzes im Labor nachzubilden, um besser verstehen zu können, wie sich die Fermentation von Hefestämmen über Jahrtausende entwickelt hat. Dieses Wissen wird genutzt, um die Mikroorganismen für industrielle Anwendungen zu optimieren, etwa zur Herstellung von Biotreibstoff, Biopolymeren, Futtermitteln oder speziellen Chemikalien. „All das passt perfekt zu unserem Vorhaben, die Geschichte der Hefe von ihren Anfängen bis heute und sogar darüber hinaus zu erzählen und über unsere Kunstwerke ebenso ihr Potenzial für zukünftige Anwendungen aufzuzeigen“, fassen Dumitriu und May zusammen.
Klimawandel und Umweltverschmutzung
„Fermenting Futures“ besteht aus mehreren Objekten. „Für das Hauptkunstwerk wurde eine biotechnologisch hergestellte Hefe verwendet, die CO2 in der Atmosphäre binden kann. Daraus wurde in weiterer Folge ein Biokunststoff hergestellt, der von den Künstlern 3D-gedruckt worden ist“, erklärt Mattanovich. „Verschiedene Elemente der Installation werden aus diesem 3D-gedruckten Kunststofffilament hergestellt, das in seiner unverfälschten Form durch Kompostierung biologisch abbaubar ist“, so Dumitriu und führt weiter aus: „Das Kunstwerk fängt Kohlenstoff ein und produziert daraus Kunststoff. Mit anderen Worten löst es auf den ersten Blick ein Problem, während es gleichzeitig ein anderes schafft. Dieses Paradoxon kann dazu anregen, über die zentralen Probleme der Umweltverschmutzung auf unserem Planeten nachzudenken – darunter die Erderwärmung durch zu viel CO2 in der Atmosphäre oder große Mengen an Mikroplastik in unseren Weltmeeren. Tatsächlich ist es jedoch so, dass der in diesem Projekt hergestellte Kunststoff leicht biologisch abbaubar ist, sodass der Prozess in der Tat zwei Probleme gleichzeitig lösen könnte.“
Auf Augenhöhe
Mattanovich betont abschließend, es müsse selbstverständlich sein, dass die Zusammenarbeit Wissenschaft/Kunst auf Augenhöhe passieren soll. “Kunst darf nicht dafür missbraucht werden, eine ‘Message’ zu transportieren. Die Künstler brauchen freie Hand. Es muss ihre Arbeit bleiben”, erklärt Mattanovich seinen Blick auf Kooperationen Kunst-Wissenschaft.