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Gastbeitrag / Birgit Lengerer, Ute Rothbächer, Peter Ladurner / Donnerstag 08.04.21

Biologische Klebstoffe als Vorlage für umweltfreundliche Superkleber

Viele gängige Gebrauchsartikel werden heutzutage verklebt, allen voran Elektrogeräte wie zum Beispiel Smartphones wären ohne effiziente Klebstoffe undenkbar. Klebstoffe sind auch im medizinischen Bereich und besonders in der Zahnmedizin essentiell. Viele Kleber sind allerdings alles andere als umweltfreundlich und enthalten Giftstoffe. Dabei gäbe es genug Beispiele von ungiftigen und starken Klebstoffen in der Natur. Die Erforschung von biologischen Klebstoffen ist der Grundstein zur Entwicklung von vergleichbaren biomimetischen Produkten. Bis dahin ist der Weg allerdings noch weit und viele grundlegende Mechanismen sind bisher noch nicht, oder nur unzureichend, erforscht. Dies zu ändern ist das erklärte Ziel von ForscherInnen am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck.

Für viele marine Lebewesen ist die Produktion von Klebstoffen überlebenswichtig. Sie werden von ihnen unter anderem genutzt, um sich kurzzeitig oder dauerhaft anzuhaften, Behausungen zu bauen oder Beute zu fangen. In vielerlei Hinsicht sind diese natürlichen Klebestoffe handelsüblichen Klebern weit überlegen. Sie wirken schnell und effizient, sind ungiftig, biologisch abbaubar und haften auf nahezu allen Oberflächen. Mehrere WissenschaftlerInnen an der Universität Innsbruck haben das Potential von biologischen Klebesystemen erkannt und widmen sich in Zusammenarbeit mit internationalen KollegInnen intensiv deren Erforschung. Ihr langfristiges Forschungsziel ist es, die von natürlichen Systemen gewonnen Erkenntnisse zu nutzen, um biomimetische Kleber zu entwickeln. Die Anwendungsgebiete wären vielfältig: von umweltfreundlichen Klebern für den täglichen Gebrauch bis hin zu hochspezialisierten Klebstoffen für den industriellen- oder biomedizinischen Bereich.

Kleine Klebeprofis

Die Arbeitsgruppe von Peter Ladurner hat sich auf Plattwürmer spezialisiert, eine Tiergruppe, die weltweit verbreitet ist und auch bei uns in jedem Gewässer vorkommt. Die Anhaftung von Plattwürmern basiert auf einem Zwei-Drüsen-System, das es ihnen über Sekretionen ermöglicht anzuhaften, aber auch zu jeder Zeit loszulassen. Plattwürmer kommen in unterschiedlichsten Lebensräumen vor, von Süßwasserseen, Meeresküsten, über Brackwasser, bis hin zu parasitären Arten, die sich auf ihren Wirten festkleben. Viele dieser Arten sind in ihrem natürlichen Habitat starken Strömungen und Wellen ausgesetzt und haben ihre Klebstoffe und ihre Klebeorgane an diese extremen Bedingungen angepasst. In einem multidisziplinären Ansatz beschreiben die ForscherInnen sowohl die genaue Struktur der Klebeorgane als auch den Protein- und Zuckeranteil der Klebstoffe. Ihr Ziel ist es, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Klebestrategien in unterschiedlichen Habitaten zu entschlüsseln. Die geringe Größe der Plattwürmer – die meisten Arten sind nur wenige Millimeter groß – macht dabei eine direkte Analyse der Klebstoffe schwierig. Zudem sind die bisher bekannten Klebeproteine sehr lang und repetitiv, was die Entschlüsselung ihrer Sequenzen erschwert. Um diese Probleme zu umgehen, nutzen die Forscher das Potential von neuen, preislich günstigen Sequenziermethoden und bioinformatischen Analysen.

„Stars“ der Meere

Ein ähnliches temporäres Klebesystem, das der Seesterne, steht im Zentrum der Forschung von Birgit Lengerer. Seesterne sind in den Meeren weit verbreitet und besiedeln unterschiedlichste Habitate, von Küstenregionen bis zur Tiefsee. Diese Komplexität spiegelt sich auch in ihren Klebestoffen wieder: im gemeinen Seestern (Asterias rubens) wurden in einer früheren Studie 34 Proteinsequenzen in den klebenden „Fußabdrücken“ identifiziert. Ein bedeutender Anteil der Sequenzen wurde allerdings nicht oder nur unzureichend in anderen Arten gefunden, was eine Anpassung der Haftproteine an das Habitat vermuten lässt. Ausgehend von diesen Ergebnissen forscht Birgit Lengerer derzeit vorwiegend an einer kleinen Seesternart, Asterina gibbosa, die in Küstenregionen weit verbreitet ist. Ihr großer Vorteil im Vergleich zum gemeinen Seestern ist, dass sich diese Art auch im Labor fortpflanzen lässt. Dadurch werden Versuche, Probennahmen, sowie funktionelle Analysen erleichtert. Im Rahmen ihres Projektes wurde unter anderem das Genom dieser Art sequenziert und mehrere bisher unbekannte Klebeproteine entschlüsselt. Da es sich dabei teilweise um glykosylierte Proteine handelt, besteht nun der nächste Schritt darin, die Art und Funktion dieser Zuckerverbindungen zu verstehen.

Zuerst mobil, dann sesshaft

Das Team von Ute Rothbächer widmet sich der Anhaftung des sessilen Manteltieres Ciona intestinalis. Bevor sich diese Tiere permanent anhaften, suchen sie im Larvenstadium nach einer geeigneten Stelle. In diesem frühen Entwicklungsstadium ist der Klebstoff der Tiere noch reversibel und die Larven können mehrere Stellen testen, bevor sie sich permanent anhaften und ihre Metamorphose zum adulten Tier startet. Nach einer detaillierten Beschreibung des Klebeorgans der Manteltierlarve widmen sich die ForscherInnen nun der Zusammensetzung des Klebstoffes. Des Weiteren wird die Klebefähigkeit der Larven an verschiedenen chemisch definierten Substraten getestet. Im Fall von marinen Tieren ist nicht nur der extrem robuste Kleber von großem Interesse, auch wie die Anhaftung verhindert werden kann wird untersucht. Starker Bewuchs von sessilen Organismen ist ein großes Problem in der Schifffahrt, das den Treibstoffverbrauch und die Wartungskosten drastisch erhöht. Aus diesem Grund ist ein Verständnis der ersten, temporären Anhaftung der Ciona Larven auch ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigen Bekämpfung dieses Bewuchses.

Die Forschungsprojekte werden unterstützt vom FWF [P 30347, J 4071], ÖAW, TWF und der COST action CA15216 (European Network of Bioadhesion Expertise, ENBA) und der Universität Innsbruck (Projekt 214947).

Kurzportrait

Peter Ladurner studierte Biologie an der Universität Innsbruck und ist nach einigen Aufenthalten an internationalen Forschungsstätten an seine Heimatuniversität zurückgekehrt. Dort erforscht er seit Jahren verschiedene Eigenschaften von Plattwürmern, inklusive ihrer Stammzellen, Entwicklung, Regeneration und ihre überlebenswichtigen Klebstoffe.

Ute Rothbächer promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München and arbeitete in den USA und Frankreich, bevor sie 2012 an der Universität Innsbruck in ihrer eigenen Arbeitsgruppe die jahrelange Forschung zu entwicklungsbiologischen Grundlagen fortsetzte und sich auf Klebstoffe an Cionalarven spezialisierte.

Birgit Lengerer promovierte 2017 an der Universität Innsbruck und arbeitet – nach einem Postdoc Aufenthalt an der Universität Mons (Belgien) – in Innsbruck weiter an ihrem Forschungsprojekt zu Seesternklebstoffen.

Für nähere Informationen zu den drei ForscherInnen siehe https://www.uibk.ac.at/zoology/

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