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Gastbeitrag / Robert Grüneis / Donnerstag 14.04.22

Einbindung und Information pushen smarte Gebäudenutzung

Städte wachsen in einem nie dagewesenen Tempo, dabei wird sich das Bevölkerungswachstum vor allem in Ballungsräumen konzentrieren. Wien wird bis 2028 erstmal wieder auf 2 Millionen Menschen anwachsen, bis 2048 sogar um die Größe von Graz. Und während sich der Megatrend fortführt, wird auch immer mehr Energie verbraucht.

Für die ASCR als Forschungsgesellschaft stellt sich daher die Frage: Wie kann Energie auf so wenig Platz wie möglich so effizient wie möglich produziert und genutzt werden – und das, ohne der Umwelt zu schaden und unter Einbindung derer, die letztlich damit leben müssen: Der Stadt und ihrer BewohnerInnen.

In diesem Spannungsfeld forscht die Aspern Smart City Research GmbH (ASCR) mit Hilfe von Echtdaten aus dem Stadtentwicklungsgebiet aspern Seestadt. 2013 von Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, die Wirtschaftsagentur und Wien 3420 gegründet, betreiben seither über 100 WissenschaftlerInnen interdisziplinäre Forschung in den Bereichen Smart Grid, Smart Building, Smart ICT und Smart User. Konkretes Ziel der Anwendungsforschung: Skalierbare Lösungen für die (Energie-)Zukunft im urbanen Raum, die künftig auch in anderen Städten und Projekten angewandt werden können.

Das Fundament von Smart Cities bildet zwar die Konnektivität, aber im Mittelpunkt stehen dabei immer ihre NutzerInnen. Denn Gebäude, Netze und Prozesse können noch so intelligent vernetzt und modern ausgestaltet sein – wann und wie viel Energie ein Gebäude benötigt, hängt schließlich vom Nutzungsverhalten der BewohnerInnen ab. In aktuell 17 Forschungsgegenständen, von der Gebäudetechnik über smarte Netze bis zur E-Mobilität, zieht sich der Smart User als roter Faden durch die Forschung der ASCR.

Ein Meer aus Daten

Um den Energieverbrauch zu senken und möglichst effiziente Nutzung zu fördern, werden die Nutzungsgewohnheiten der BewohnerInnen mittels sozialwissenschaftlicher Forschung begleitet und beforscht. Im am Forschungsprojekt beteiligten Wohngebäude nehmen dazu 111 Haushalte teil, die ihre Energieverbrauchs- und Raumregelungsdaten freiwillig laufend mit unserem Forschungsteam teilen. Zu den Daten, die täglich zum Praxischeck herangezogen werden, zählen Strom, Warm- und Kaltwasser, Zimmertemperatur und Raumluftqualität. Auch die Nutzungsdaten eines wärmeautarken Bildungscampus sowie eines Studierendenwohnheims werden untersucht. Der Datenstrom fließt dabei gemeinsam mit Datenpunkten von Sensoren, aus technischen Systemen, der umgebenden Umwelt sowie dem Stromnetz anonym zusammen. So werden täglich ca. 2 Millionen Live-Datensätze pro Tag aus dem Netz und den beteiligten Gebäuden gesammelt und mit diesen im Live-Betrieb die Energieeffizienz und die Lebensqualität für BürgerInnen verbessert.

Am Beispiel der E-Mobilität: Damit können die Stromnetze beispielsweise für smarte Ladestationen intelligent gesteuert werden. Das Netz weiß zu jedem Zeitpunkt darüber Bescheid, wie viel erneuerbarer Strom auf dem Dach erzeugt wird, diese Daten können mit dem Verhalten der BewohnerInnen verbunden und so Energie effizient zugeteilt werden. Die Forschung zum NutzerInnen-Verhalten in Wohneinheiten ist bereits erfolgreich abgeschlossen, die ASCR erforscht nun die Gewohnheiten der User in Bezug auf Elektromobilität und in Bürogebäuden.

Smarte User als Abbild der Gesellschaft

Für uns war es wichtig, von AkademikerInnen bis zur ArbeiterIn und vom Single-Haushalt bis zu Familien VertreterInnen aller Gesellschaftsgruppen und Haushaltsformen mit an Bord zu haben. Nur so können realistische Werte zum Energiebedarf in den Gebäuden erhalten und Lösungen für smarte Cities angeboten werden. Zu Beginn der Forschung hat die ASCR daher eine Studie mit 84 Haushalten durchgeführt. Das Ziel war herauszufinden, inwieweit die BewohnerInnen sich mit dem Thema Energieeffizienz befassen und über wie viel technisches Know-how und Kompetenzen diese verfügen. Die Umfrage ergab vier Personenprofile: Professionals, OptimiererInnen, Indifferente und HedonistInnen.

48 Prozent der Befragten sind Professionals, also technisch kompetent, am Thema Energie interessiert, mit einem höheren Bildungsgrad und einem bewussten Energienutzungsverhalten. Dazu kamen Optimierer (30 Prozent), diese verfügen über wenig technisches bzw. Energie-Wissen, sind aber an der Optimierung ihrer Energiekosten interessiert. Dazu gehören Personen mit einem etwas höheren Bildungsgrad und Interesse am Energiekostensparen. Indifferente Personen (13 Prozent) besitzen weder technische Kompetenz oder haben Interesse an Energiethemen und Nachhaltigkeit, diese sind eher jünger, noch nicht berufstätig und haben eine hedonistische Energienutzung. Hedonisten (9 Prozent) sind technisch kompetent, haben aber kein Interesse an Energie- und Nachhaltigkeit. Dazu zählen jüngere Personen und Singles mit einer sorglosen Energienutzung.

Bewusstseinsbildung und Anreizsysteme können Verhalten beeinflussen

Um herauszufinden, wie Gebäude optimal arbeiten, benötigen unsere ForscherInnen also die Nutzungsgewohnheiten der BewohnerInnen. Das ist einzigartig, da das ASCR-ForscherInnen-Team so aus dem täglichen Verhalten evidenzbasierte Daten ziehen kann. Nur so können Aussagen zum Bedarf von heute und morgen getroffen werden. Mittels Bewusstseinsbildung und Anreizsystemen hat die ASCR das Verhalten in Richtung nachhaltiger, energie- und kosteneffizienter Lebensweisen gefördert. Die erste Forschungsphase konnte dabei zeigen: Das Nutzungsverhalten lässt sich durch Wissen und elektronische Unterstützung verändern. Vor allem das regelmäßige Einbinden der NutzerInnen in die Forschung und das zur Verfügung stellen von Informationen hat einen Einfluss auf den Energieverbrauch.

Technologie kann Nutzungsverhalten nicht völlig steuern

Im Sommer 2018 kam es beispielsweise teilweise zu höheren Temperaturen in den Wohnungen, die zu Beschwerden der BewohnerInnen führten. Die Folge: 53 Prozent der Haushalte besorgten sich Ventilatoren, 12 Prozent Klimageräte. Hier stießen unsere Möglichkeiten der Lenkung des Nutzungsverhaltens klar an die Grenze – denn geändertes Nutzungsverhalten kann nicht dazu dienen, um Schwachstellen bei der Gebäudeplanung auszugleichen. Dies waren wichtige Erkenntnisse für unsere Forschung, denn nur im Zusammenspiel mit dem Verhalten der User und den Wetter-Bedingungen konnte die ASCR Energiespar-Potenziale identifizieren und nutzen.

Das Ziel der ASCR ist demnach, smarte Lösungen zu schaffen, die in die Energieeffizienz von Städten einzahlen und anwenderfreundlich sind. Wie viel Energie eine Stadt verbraucht, hängt also immer auch vom User selbst, seinem Verhalten und dem Bewusstsein darüber ab.

Kurzportrait

Mag. Robert Grüneis ist gemeinsam mit Dr. Georg Pammer Geschäftsführer der Aspern Smart City Research GmbH. Nach dem Abschluss der Rechtswissenschaften 1993 war der Experte für Energie und Smart Cities 2014 als Vorstandsdirektor der Wiener Stadtwerke für den Bereich Energie, Forschung, Technologie, Smart City, IT und Nachhaltigkeit tätig und bei strategischen Großprojekten wie der Gründung der EnergieAllianz und Wiener Energie maßgeblich beteiligt. Nun verantwortet er seit 2017 die Geschäftsführung des innovativsten und größten Energieforschungsprojekts Europas – der ASCR.

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