Blicke aus dem All: Erdbeobachtungsdaten zum Nutzen der Menschen
Intelligentere Entscheidungen bei realen Problemen beginnen mit besseren Daten – und genau das ermöglicht die Erdbeobachtung, dank europäischer Initiativen, die den Zugang zu den enormen Mengen täglich gesammelter Satellitendaten öffnen.
Stellen Sie sich vor, Weltraumtechnologie würde nicht nur zur Erforschung der Sterne eingesetzt, sondern auch, um den Ausbruch von Krankheiten zu verhindern oder Naturkatastrophen wie Überschwemmungen vorherzusagen und zu überwachen. Genau das tun europäische Forscher mit der Erdbeobachtung (EO): Sie verwandeln Satellitendaten in praxisnahe Lösungen, die Menschen und den Planeten schützen.
Mückenmonitor
Seit 2020 verfolgt ein bahnbrechender Dienst namens „Early Warning System for Mosquito-Borne Diseases“ (EYWA) die Brutstätten von Mücken mithilfe hochauflösender Satellitenbilder. Warum? Weil der Klimawandel die Ausbreitung von durch Mücken übertragenen Krankheiten begünstigt und frühzeitige Informationen Leben retten können. Laut Dr. Haris Kontoes, Forschungsdirektor am Institut für Astronomie, Astrophysik, Weltraumanwendungen und Fernerkundung des Nationalen Observatoriums von Athen in Griechenland, ist dies ein gutes Beispiel dafür, wie sich Daten aus der EO praktisch nutzen lassen.
„Es war schon immer ein großes Problem, da weltweit Millionen von Menschen betroffen sind, aber in den letzten zehn Jahren werden diese Krankheiten zunehmend auch in Europa übertragen, sogar in nordeuropäischen Ländern“, sagte Kontoes, Koordinator von EYWA. Das datenbasierte System von EYWA hilft lokalen Behörden, schnell zu handeln – indem Brutstätten bekämpft werden, bevor sich Mücken vermehren. Das Ergebnis? In einigen Regionen konnten die Mückenpopulationen um die Hälfte reduziert werden. Heute schützt EYWA rund 30 Millionen Menschen, von Bauern in Griechenland bis hin zu Einwohnern in Kamerun. Hinter diesem Erfolg steht ein multidisziplinäres globales Team unter der Leitung des Nationalen Observatoriums von Athen, das mit Partnern aus den Bereichen EO, Gesundheit, Klimamodellierung und Datenanalyse zusammenarbeitet.
Erdbeobachtungsdaten für Alltagsprobleme
EYWA ist nur eine Erfolgsgeschichte aus einer breiteren Bewegung, die die Nutzung von EO-Daten für praktische Zwecke unterstützt. Die European Group on Earth Observations (EuroGEO), Europas Beitrag zur globalen GEO-Allianz, bringt Regierungen, Forscher und Unternehmen zusammen, um Satellitendaten auf praktische Weise für eine Reihe von Anwendungen zu nutzen, darunter Katastrophenhilfe, Landwirtschaft, Gesundheit und Klimaanpassung.
Beispielsweise half der schnelle Hochwasserüberwachungsdienst von EuroGEO Gemeinden in Mitteleuropa dabei, die verheerenden Überschwemmungen im Jahr 2024 zu bewältigen. Und es wird noch mehr kommen. Der Marktwert für EO-Daten wird sich bis 2030 voraussichtlich fast verdreifachen, doch ein großer Teil dieser nützlichen Daten wird bislang noch nicht ausreichend genutzt.
Von Pilotprojekten zu dauerhaften Lösungen
EYWA war als eine der Fallstudien im EU-geförderten e-shape-Projekt beteiligt, das 37 verschiedene Anwendungen in Europa und darüber hinaus testete. Von der Überwachung der Luftverschmutzung bis hin zur Vorhersage von Wasserbedingungen für Taucher zeigten diese Pilotprojekte, was möglich ist, wenn Wissenschaftler und Endnutzer gemeinsam Tools entwickeln.
Die Herausforderung besteht jedoch in der Skalierung. „Nachhaltigkeit hängt von der Sicherung der Finanzierung und der Erfüllung realer Bedürfnisse ab“, sagte Kontoes. „Das zieht weitere Investitionen an, auch aus dem privaten Sektor.“ EYWA hat bereits Unterstützung von der EU, der Hellenic Foundation for Research and Innovation, der Bill & Melinda Gates Foundation sowie dem Horizon Prize on Early Warning for Epidemics erhalten. Das Ziel ist es jedoch, solche Dienste dauerhaft zu etablieren. „Die Nutzer der EO wollen sehen, dass das, was sie tun, nachhaltig ist“, so Kontoes.
Die Kraft des Co-Designs
EuroGEO fördert das „Co-Design“, die gemeinsame Entwicklung von Tools mit denjenigen, die sie tatsächlich nutzen. „Es geht darum, mit den Nutzern zu sprechen, sie einzubinden und eine Zusammenarbeit aufzubauen“, sagte Professor Thierry Ranchin, Direktor des Centre for Observation, Impacts, Energy an der Mines Paris – PSL, der die e-shape-Initiative leitete. Dieser Ansatz prägt die nächste Phase von EuroGEO, zu der auch die Schaffung einer starken, dauerhaften Governance-Struktur unter einem EuroGEO-Sekretariat (EuroGEOSec) gehört. Im Gegensatz zu früheren Maßnahmen geht es hier nicht darum, neue Pilotprojekte zu starten. Ziel ist es, bestehende Projekte zu vernetzen, sie nachhaltig zu gestalten und die Barrieren zwischen Daten, Programmen und Menschen abzubauen.
Diese Bewegung hin zu mehr Integration und Zusammenarbeit spiegelt sich im Ansatz #OneEuroGEO wider, der Europas Bestreben zum Ausdruck bringt, ein wirklich vernetztes EO-System zu schaffen. Dies geschieht über die EuroGEO-Aktionsgruppen – Expertenteams, die sich mit Themen wie Katastrophenvorsorge und Gesundheit, Landwirtschaft, Energie und mehr befassen. Diese Gruppen tauschen nicht nur Daten aus, sondern kombinieren auch Tools, Modelle und Fachwissen, setzen Cloud-Infrastrukturen ein, öffnen den Zugang zu IoT-Netzwerken und bieten sogar Schulungen für lokale Nutzer an.
Daten für die Menschen nutzbar machen
Ein zentrales Ziel ist es, die Kluft zwischen denen, die Satellitendaten sammeln, und denen, die sie benötigen, zu schließen. Das EuroGEO-Team hofft, dass dies lokalen Behörden und nationalen Stellen die Nutzung von Satellitendaten, beispielsweise für die Seuchenbekämpfung und den Klimaschutz, erleichtern wird. Aktuell gehen jeden Tag mehr als 100 Terabyte an EO-Daten aus Programmen wie Copernicus und Destination Earth ein. Doch zu oft können lokale Behörden und Einsatzkräfte vor Ort nicht darauf zugreifen oder sie nutzen. EuroGEOSec möchte dies ändern, damit ein Gesundheitsbeamter in Portugal dieselben Satellitendaten nutzen kann wie eine nationale Behörde in Brüssel.
„Derzeit gibt es eine Fragmentierung in der EU-Landschaft“, sagte Ranchin. „Wir arbeiten daran, dies zu reduzieren, aber das erfordert viel Koordination.“ Im Jahr 2025 plant EuroGEOSec die Veröffentlichung einer Roadmap, die den Zugang zu EO-Daten für Ministerien, Kommunen und sogar für einzelne Bürgerinnen und Bürger erleichtert und deren Nutzung fördert. „In den kommenden Jahren wird es eine explosionsartige Zunahme von EO-Daten geben“, sagte Ranchin. „Die Frage ist nun, wie wir sicherstellen können, dass sie in möglichst vielen Bereichen sinnvoll genutzt werden.“
Von der weltraumgestützten Mückenbekämpfung bis hin zu Echtzeit-Hochwasserwarnungen ist die Antwort klar: Was im Orbit erfasst wird, kann dazu beitragen, das Leben auf der Erde zum Besseren zu verändern.
Die in diesem Artikel beschriebene Forschung wurde vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.