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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 29.07.2025, 14:15

Forscher schließen sich zusammen, um Lücken in der digitalen Bildung in Europa zu schließen

Überall in Europa arbeiten Forscher und die Industrie daran, digitale Bildung besser, intelligenter und zugänglicher zu machen. Durch den Aufbau starker Partnerschaften und den Austausch von Wissen helfen sie dabei, eine Zukunft zu gestalten, in der alle von hochwertigem Online-Lernen profitieren.

EdTech Estonia
Die interaktive App hilft Kindern beim Lernen

Kinder in Serbien könnten schon bald mithilfe eines freundlichen virtuellen Alpakas namens Alpa grundlegende Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse erlernen – dank EU-geförderter Forschung, die den Zugang zu erstklassiger Bildungstechnologie in ganz Europa verbessert. Alpa ist ein zentrales, wenn auch nicht-menschliches, Mitglied des Teams von ALPA Kids – einem in Estland ansässigen EdTech-Unternehmen, das über eine interaktive App muttersprachliche Lernspiele für Kinder im Alter von drei bis acht Jahren anbietet.

Mehrsprachiger Zugang

„Europa ist eine so mehrsprachige und multikulturelle Region, dass es sehr wichtig ist, allen Kindern die Möglichkeit zu geben, in ihrer Muttersprache zu lernen“, sagt die estnische Unternehmerin und Linguistin Kelly Lilles, Mitgründerin und Geschäftsführerin von ALPA. Lilles‘ Weg mit ALPA Kids begann, als sie mit ihrer Familie nach Spanien zog und Schwierigkeiten hatte, Lernmaterial auf Estnisch für ihre Kinder zu finden.

Diese Erfahrung machte ihr den Mangel an muttersprachlichen digitalen Lernressourcen für Kinder deutlich und veranlasste sie dazu, Lösungen zu entwickeln, die der sprachlichen Vielfalt gerecht werden. Dies führte zu der App, die 2020 entwickelt wurde. Sie vermittelt Grundkenntnisse wie Alphabet, Wortschatz, Zahlenverständnis, Logik und kognitive Kompetenzen. Obwohl sie zunächst auf Estnisch erschien, gibt es die App inzwischen in einem halben Dutzend Sprachen, darunter auch Englisch. Seit 2023 profitiert das Unternehmen von der Kollaboration mit Forschern der Universidad Rey Juan Carlos in Spanien und der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Novi Sad in Serbien im Rahmen einer von der EU geförderten Initiative namens EdTech Talents.

Dieses vierjährige Forschungs- und Entwicklungsprojekt vereint Forscher und Unternehmen aus sechs EU-Ländern und wird von der Universität Tallinn in Estland koordiniert. Für ALPA Kids bietet es die Möglichkeit, die englischsprachige Version der App als Mittel zum Erlernen einer Zweitsprache zu testen. „Diese Zusammenarbeit hilft uns, forschungsbasierte Lösungen anzubieten“, sagt Lilles. „Es ist eine großartige Gelegenheit, internationale Forscher direkt vor Ort zu haben, mit denen man Ideen besprechen kann.“

Digitale Bildung im Fokus

Digitale Bildung ist mehr als nur ein Schlagwort – sie gehört zu den wichtigsten Prioritäten Europas, um eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen. Von der Verbesserung des Zugangs zu Lernangeboten für Schülerinnen und Schüler in abgelegenen Regionen bis hin zur Vermittlung grundlegender digitaler Kompetenzen an Menschen jeden Alters: Bildungstechnologie verändert grundlegend, wie wir lehren, lernen und uns weiterentwickeln.

Um diesen Wandel wirklich inklusiv zu gestalten, treibt die EU mit ihrem Aktionsplan für digitale Bildung 2021–2027 eine gemeinsame Vision voran. Ziel ist es, sicherzustellen, dass alle Lernenden in Europa von hochwertiger, zugänglicher digitaler Bildung profitieren – unterstützt durch moderne Infrastruktur, ansprechende Tools und digital kompetente Lehrkräfte. EU-geförderte Initiativen wie EdTech Talents helfen dabei, stärkere Innovationsökosysteme in den weniger forschungsintensiven Regionen Europas aufzubauen.

Im Mittelpunkt dieses Engagements steht die Widening-Initiative, die 2014 ins Leben gerufen wurde, um die Zusammenarbeit zu fördern und Ungleichgewichte in Forschung und Innovation auf dem Kontinent auszugleichen. Heute gelten 24 Länder, darunter Estland, Ungarn und Serbien, als sogenannte Widening-Länder.

Erfahrung in der Industrie

Das EdTech-Forschungsteam hat sich zum Ziel gesetzt, neue Möglichkeiten für Bildungstechnologie-Unternehmen wie ALPA Kids in Estland, Ungarn und Serbien zu schaffen. Ihre Strategie besteht darin, Verbindungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft in diesen Ländern aufzubauen und den Austausch mit erfahreneren Forschern und Technologieunternehmen in Österreich, Deutschland und Spanien zu fördern. Dr. Janika Leoste, eine estnische Pädagogin und Wissenschaftlerin, die für ihre Arbeit in Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft mehrfach ausgezeichnet wurde, koordiniert die Initiative.

Leoste ist außerordentliche Professorin für Bildungsrobotik an der Universität Tallinn und Assistenzprofessorin an der Technischen Universität Tallinn. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Integration von Robotik in den Unterricht, hybriden und kombinierten Lernformaten sowie der Förderung von Bildungsinnovationen. „In Estland, wie auch in anderen Widening-Ländern, waren wir es gewohnt, Forschung in einem geschlossenen Ökosystem zu betreiben“, sagt sie. Ein zentrales Merkmal der Initiative ist die Möglichkeit für Nachwuchswissenschaftler, dreimonatige Aufenthalte in Unternehmen in Österreich, Deutschland und Spanien zu absolvieren, um praktische Erfahrungen in der Industrie zu sammeln.

Forscher von Universitäten in Österreich, Deutschland und Spanien bieten im Gegenzug Beratungsleistungen für Bildungstechnologie-Unternehmen in Estland, Ungarn und Serbien an, um ihnen zu helfen, ihre Geschäftsmodelle zu verbessern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. „Jeder an dem Projekt teilnehmende Forscher hat das Ziel, einen sogenannten anwendbaren Prototyp zu liefern“, sagt Leoste.

Das Ziel ist dabei nicht unbedingt, ein marktreifes Produkt zu entwickeln, erklärt Leoste, sondern das Know-how zu schaffen, das die Entwicklung von Bildungstechnologie-Produkten unterstützt und letztlich auch der Gesellschaft zugutekommt. „Wir hoffen, dass diese Erfahrung den Forschern hier zeigt, dass sie mit der Industrie zusammenarbeiten müssen, so wie es in fortschrittlicheren Ländern üblich ist“, sagt sie.

Benutzerfreundlichkeit im Fokus

Im Rahmen der gemeinsamen Anstrengungen wird die App derzeit mit dem Usability Platform Test evaluiert, der von Dr. Slavko Rakić, einem serbischen Mitglied des EdTech Talents-Teams und Assistenzprofessor für Wirtschaftsingenieurwesen und Management an der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Novi Sad, entwickelt wurde. Der Usability Platform Test von Rakić soll Technologieunternehmen dabei unterstützen, ihre Produkte zu bewerten und zu verbessern. Dabei liegt der Fokus auf technologischen, pädagogischen und soziokulturellen Aspekten.

Durch den Einsatz von Umfragen und visuellen Tools wie Radardiagrammen liefert die Plattform umsetzbare Erkenntnisse, um die Nutzererfahrung zu verbessern und Produkte an verschiedene Bildungskontexte anzupassen. Ziel ist es, zu verstehen, wie gut die App von potenziellen Nutzern angenommen wird. Nach Abschluss der Tests in Serbien planen EdTech Talents und ALPA Kids, Artikel mit ihren Ergebnissen zu veröffentlichen, wobei Lilles betont, dass die Vorteile der Teilnahme bereits jetzt erkennbar sind.

Mobiles Talent

Internationale Austauschprogramme wie jene, die durch EdTech unterstützt werden, sind von großer Bedeutung, erklärt Rakić, insbesondere weil Nachwuchsforscher oft Schwierigkeiten haben, neben ihren akademischen Verpflichtungen praktische Erfahrungen in der Industrie zu sammeln. „Das Hauptziel des EdTech Talents-Projekts ist es, den Wissensaustausch für Forscher in Widening-Ländern zu fördern“, fügt er hinzu. Als Teil des ERA Talents-Programms der EU trägt das Projekt dazu bei, die Lücke zwischen Wissenschaft und Industrie zu schließen, indem es sektorübergreifende Zusammenarbeit und Talentmobilität in ganz Europa unterstützt.

Für Leoste ist die Öffnung hin zu mehr internationalen und industriebezogenen Partnerschaften entscheidend, um die digitale Bildung auf dem Kontinent voranzubringen. Und es gibt noch einen weiteren Nutzen: Durch den Ausbau digitaler und unternehmerischer Kompetenzen von Forschern und Mitarbeitenden trägt EdTech Talents auch dazu bei, die Vision der EU von einer „Union der Kompetenzen“ zu verwirklichen, in der Europäer ihre Fähigkeiten und ihr Ausbildung kontinuierlich weiterentwickeln. „Bildung ist die Grundlage von allem für unsere zukünftigen Generationen“, sagt Lilles.

Von Helen Massy-Beresford

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APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die in diesem Artikel beschriebene Forschung wurde vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.