Kleidung im Kreislauf halten: Wie Textilabfälle ein neues Leben erhalten
EU-finanzierte Forschung trägt dazu bei, alte Kleidung in neue, hochwertige Produkte zu verwandeln, mit dem Ziel, Textilabfälle zu reduzieren und recycelte Textilien zur Norm zu machen.
In einer Fabrik in Waregem im Nordwesten Belgiens verwandelt eine einzigartige Maschine, die nur per Fingerabdruck von autorisiertem Personal zugänglich ist, alte Kleidung und Textilien mit höchster Präzision und fernab von neugierigen Blicken. Die 170 m lange Maschine entwirrt gewebte und gestrickte Fasern schonend und bereitet sie für die Wiederverwendung vor. Diese Fasern stehen im Mittelpunkt einer vierjährigen, EU-finanzierten Forschungsinitiative namens tExtended, die die Zukunft des Textilrecyclings neu gestalten will.
Es gibt weltweit nur eine einzige Maschine dieser Art, wie Koen De Ruyck, Geschäftsführer von PURFI Manufacturing, einem Pionierunternehmen im Bereich der nachhaltigen „Verjüngung” von Textilien, betont. „Wenn Sie unsere Fabrik besuchen, sehen Sie nur, was hineingeht und was wieder herauskommt“, sagte er. „Der Großteil der Technologie arbeitet in einer Black Box, um den Prozess so geheim wie möglich zu halten.“
Upcycling neu gedacht
Die Technik wird als „sanftes mechanisches Recycling“ bezeichnet. Anstatt Stoffe zu zerschneiden oder zu zerreißen, um Fasern zu gewinnen, wird das Material in diesem Verfahren aufgetrennt, so dass die Fasern ihre Festigkeit und Länge behalten. Das macht einen großen Unterschied. Hochwertige Fasern können zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet werden, anstatt als minderwertige Produkte wie Putzlappen oder Autoisolierung zu enden.
„Das meiste Recycling ist in Wirklichkeit Downcycling“, erklärte De Ruyck. „Man beginnt mit etwas Schönem und endet mit etwas sehr Einfachem. Upcycling macht derzeit weniger als 1 Prozent aus, und solange sich dieser Anteil nicht erhöht, werden wir die Gesamtabfallmenge nicht reduzieren können.“ Jedes Jahr landen laut der Europäischen Umweltagentur sieben Millionen Tonnen Textilabfälle auf europäischen Deponien oder in Müllverbrennungsanlagen.
Ein gesamteuropäisches Ziel
Die Versuche in Waregem sind nur ein Teil des tExtended-Projekts, das bis November 2026 läuft. Es bringt Forschungs- und Industriepartner aus Finnland, Schweden, Belgien, Frankreich, Irland, Lettland, der Slowakei, Spanien, Portugal und der Schweiz zusammen. Gemeinsam wollen sie Europa den Weg aufzeigen, wie es seinen Textilabfall um bis zu 80 Prozent reduzieren kann. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das jedoch den enormen ökologischen Fußabdruck der Textilproduktion widerspiegelt – und die Entschlossenheit der EU, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen.
Seit Jänner 2025 führen die EU-Länder gemäß den EU-Vorschriften schrittweise die getrennte Sammlung von Textilabfällen ein. Das bedeutet, dass alte Kleidung und Stoffe nicht mehr mit dem Restmüll entsorgt werden dürfen. Die Änderung soll Kleidungsstücken ein zweites Leben ermöglichen – sei es durch Wiederverwendung, Reparatur oder Recycling – und Modeunternehmen dazu bewegen, Produkte zu entwerfen, die länger halten und leichter recycelt werden können. Für viele in der Textilbranche ist das jedoch noch ein neues Konzept.
„Derzeit gibt es nur sehr wenige Informationen darüber, wie verschiedene Arten von Textilabfällen Rohstoffe in der Textilproduktion ersetzen können“, sagte Dr. Pirjo Heikkilä, leitende Wissenschafterin und Projektmanagerin am Technischen Forschungszentrum Finnlands (VTT), die das Projekt tExtended koordiniert.
Textilien im Kreislauf halten
Das tExtended-Team arbeitet an einem Leitfaden für Hersteller, der beschreibt, wie verschiedene Arten von Textilabfällen sortiert und verarbeitet werden können und welche Wege sich am besten für ihre Wiederverwendung eignen. Ihre Arbeit unterstützt direkt die EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien, die darauf abzielt, Überproduktion zu reduzieren, Reparatur und Wiederverwendung zu fördern und Recycling zu einer gängigen Praxis zu machen.
Für Heikkilä, die seit 25 Jahren im Bereich Textilforschung tätig ist, hat das Projekt auch ihr persönliches Verhalten verändert. „Heute überlege ich mir sehr genau, was ich kaufe. Ich entscheide mich für Secondhand-Kleidung, und wenn ich etwas Neues kaufe, achte ich darauf, wo und wie es hergestellt wurde“, sagte sie. „Ich repariere Dinge und überlege, wie ich sie weitergeben kann, wenn ich sie nicht mehr brauche.“ Verbraucher spielten zwar eine wichtige Rolle, betonte sie, doch die Hauptverantwortung liege bei der Industrie, die nachhaltigere Produkte entwickeln müsse.
Vom Abfall zum Kleidungsstück
Die PURFI-Versuche stellen recycelte Fasern auf die Probe – ihre Qualität und Leistungsfähigkeit werden getestet, bevor sie zu Garn für Kleidung und Bettwäsche versponnen werden. Pilotprojekte sind bereits angelaufen, bei denen recycelter Denim zu gleichen Teilen aus Produktionsabfällen und Altkleidern hergestellt wird. Das langfristige Ziel des tExtended-Teams ist es, Denim zu produzieren, der vollständig aus rein recycelter Baumwolle besteht.
In Portugal experimentiert JF Almeida, ein führender Handtuchhersteller, in seinen Spinnereien mit recycelten Materialien und sucht nach der besten Mischung aus recycelten und neuen Fasern. Das Unternehmen, das bereits Erfahrung mit dem Recycling von Textilabfällen aus seinen eigenen Fabriken hat, nutzt die Gelegenheit, seine Recyclingkapazitäten mit Unterstützung internationaler Partner weiter auszubauen.
„Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“, sagte Liliana Miranda aus der Vertriebsabteilung von JF Almeida. „Jeden Tag fragen uns Kunden nach recycelten Produkten. Dieses Projekt ist für uns eine Gelegenheit, neue Produkte mit geringerer Umweltbelastung zu schaffen – und neue Märkte zu erschließen.“
Globale Vorreiterrolle
Durch die Reduzierung der Verbrennung und die Förderung des Recyclings möchte das tExtended-Team die Abhängigkeit Europas von importierten Rohstoffen verringern und die Wettbewerbsfähigkeit der Textilbranche weltweit steigern. „Europa hat die Chance, eine globale Vorreiterrolle bei nachhaltigen, hochwertigen Textilprodukten einzunehmen“, sagte Heikkilä. Der Fortschritt von Initiativen wie tExtended zeigt, wie Innovation und Zusammenarbeit Abfall in Wert verwandeln können, und bietet einen Leitfaden für das Recycling von Textilien weit über Europa hinaus.
Von Ali Jones
Weitere Informationen
Die in diesem Artikel beschriebene Forschung wurde vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.