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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 12.02.2024, 15:03

Waldböden sollen bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen

Es sind nicht nur Bäume, die zur Bekämpfung der globalen Erwärmung beitragen, sondern auch der Boden, in dem sie wachsen. 

APA/BARBARA GINDL
Waldböden sind noch nicht ausreichend erforscht

In einem alten Wald in der Slowakei sind Dutzende von Sensoren im Boden, in den Baumstämmen und in der Luft angebracht. Die Geräte verfolgen, wie Bodenhydrologie und Baumwachstum sich auf den im Boden gespeicherten Kohlenstoff auswirken.  

Diese elektronische Rund-um-die-Uhr-Überwachung im Dobroč-Wald ist Teil des größten europäischen Forschungsprojekts über die zentrale – aber wenig bekannte – Rolle der Waldböden im Kampf gegen den Klimawandel. Die Initiative mit dem Namen HoliSoils begann im Mai 2021 und läuft bis Oktober 2025.  

Wunschprojekt 

„Es ist ein Wunschprojekt“, sagt Raisa Mäkipää, die HoliSoils leitet und Forschungsprofessorin am Natural Resource Institute in Finnland ist. „Böden sind wirklich wichtig, aber sie sind nicht ausreichend erforscht, das trifft insbesondere auf Waldböden zu.“ 

Während Bäume Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre durch Photosynthese aufnehmen, binden Waldböden Kohlenstoff, indem sie als Lebensraum für unzählige Organismen wie Regenwürmer, Springschwänze und Asseln dienen. Diese Organismen, oder „Bodenfauna“, ernähren sich von herabgefallenen Blättern sowie anderen abgestorbenen Baum- und Pflanzenmaterialien, die Kohlenstoff enthalten, und binden diesen dabei im Boden.  

Böden binden etwa ein Viertel der weltweiten Emissionen aus fossilen Brennstoffen, was den Boden unter den Füßen der Menschheit zu einem unverzichtbaren Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel und die immer häufiger auftretenden schweren Stürme, Überschwemmungen und Dürren macht. 

Bis zu 80 % des Kohlenstoffs in terrestrischen Ökosystemen befinden sich in Böden. Und obwohl die Welt in den letzten 10000 Jahren ein Drittel ihrer Wälder verloren hat, bedecken sie immer noch etwa 4 Milliarden Hektar – oder 31 % der gesamten Landfläche. 

Durch ein besseres Verständnis dafür, wie Waldböden CO2 binden und freisetzen, können Länder dazu beitragen, dass ihre Wälder sowohl dem Klimawandel angepasst werden als auch dazu beitragen, ihn zu mildern.  

Effizienter speichern 

„Ein besseres Verständnis der Bodenprozesse ist entscheidend für die Berechnung des Potenzials von Waldökosystemen zur Bindung und Speicherung von Kohlenstoff als Teil der Abschwächung des Klimawandels“, erklärt Dr. Michal Bošela, Dozent an der Fakultät für Forstwirtschaft der Technischen Universität in Zvolen, Slowakei. 

Bošela leitet die Arbeit von HoliSoils im Dobroč-Wald, der sich über 100 Hektar im gebirgigen zentralen Teil des Landes erstreckt. Es handelt sich um ein Naturschutzgebiet mit hauptsächlich europäischen Buchen und Weißtannen, die seit 1913 unter Schutz stehen. 

Der Wald wurde von den Forschern ausgewählt, weil er von jüngeren, intensiv bewirtschafteten Wäldern umgeben ist, die aus Fichtenmonokulturen bestehen. So können Vergleiche zwischen den Monokulturen und dem alten Wald mit seiner Baumartenmischung gezogen werden. 

Derzeit wird die regelmäßige Berichterstattung der Länder über ihre Treibhausgasemissionen im Rahmen der Bemühungen um deren Begrenzung durch einen Mangel an Daten, Wissen und Fachkenntnissen eingeschränkt: eine Lücke, die auch der jüngste europäische Gesetzesentwurf zur Bodenüberwachung schließen könnte.  

In vielen Ländern wird die Fähigkeit eines Waldes, Kohlenstoff aufzunehmen und zu speichern, vor allem anhand des Beitrags der Pflanzen geschätzt, die oberirdisch wachsen. HoliSoils bringt 18 Universitäten und Forschungsinstitute aus ganz Europa sowie zwei Forschungseinrichtungen in Japan und Uruguay zusammen.  

Aktualisierung des Bestands 

Das Ziel besteht darin, dass Länder ihre Bodenüberwachung verbessern und anpassen können – ein entscheidendes Element der nationalen Bestandsaufnahmen für den Kohlenstoff-Fußabdruck von Aktivitäten im Zusammenhang mit Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft, oder „LULUCF“ in der allgemein gebräuchlichen Kurzform. 

„Wir haben die besten Experten in Europa und genügend Partner und Finanzmittel, um alle verschiedenen Aspekte der Waldböden anzugehen“, fügt Mäkipää hinzu. 

HoliSoils arbeitet eng mit Initiativen im Rahmen einer EU-Mission zur Verbesserung der Bodengesundheit zusammen. Eine dieser Initiativen, Benchmarks, entwickelt ein System für eine transparente und vereinheitlichte Bodenüberwachung.  Neben dem Dobroč-Gebiet untersucht HoliSoils mehr als 20 Gebiete, darunter ein Moorbuchenwald in Deutschland und mediterrane Wälder in Spanien.  

Die Forscher haben einige vorläufige Ergebnisse zur Waldbewirtschaftung erzielt.  In Bezug auf entwässerte Moorwälder ist das Team zum Beispiel zu dem Schluss gekommen, dass die Vermeidung weiterer Grabenaushebungen es dem Moos ermöglicht, alte Gräben zu bedecken, den Wasserstand im Boden zu erhöhen und die Freisetzung von CO2 und Methan zu verringern, so Mäkipää. 

„Wir haben einen Weg gefunden, Moorbuchenwälder nachhaltiger zu bewirtschaften“, ergänzt sie.  

Wasser und Würmer 

Ein weiteres von der EU finanziertes Forschungsprojekt befasste sich speziell mit der Rolle des Wassers bei der Kohlenstoffspeicherung durch Waldböden.  

Das Projekt mit dem Namen DRYSOM endete im März 2023 nach fast vier Jahren. Ziel war es, zu verstehen, wie wiederkehrende sommerliche Trockenheit die Fähigkeit von Waldböden beeinflusst, als Kohlenstoffspeicher zu fungieren. 

Das DRYSOM-Team nutzte Daten aus einer separaten Untersuchung über die Auswirkungen der Bewässerung von Kiefern- und Eichenbäumen in der Schweiz. Die Bäume gehören zum Pfyn-Finges-Wald im schweizerischen Kanton Wallis.  

Seit 2003 wurde die Hälfte der Parzellen im Sommer künstlich bewässert, während die anderen der zunehmenden Trockenheit im Tal ausgesetzt waren, die auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist. 

Die DRYSOM-Forscher stellten fest, dass die Böden der bewässerten Parzellen mehr Kohlenstoff speicherten, da mehr Fauna vorhanden war.  „Das war unsere bedeutendste Erkenntnis“, sagt Dr. Frank Hagedorn, der das Projekt betreute und Leiter der Biogeochemie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) ist.  

Die Forscher stellten fest, dass in den trockenen Gebieten fünfmal weniger Regenwürmer als in den bewässerten Gebieten vorhanden waren. Kleinere Organismen wie Springschwänze und Asseln waren in den trockenen Gebieten ebenfalls weniger zahlreich. 

Die allgemeine Lehre daraus ist, dass eine zu starke Trockenheit der Waldböden zu einem Rückgang sowohl der Anzahl als auch der Aktivität der Fauna führt. Das wiederum schränkt die Fähigkeit der Böden ein, Kohlenstoff zu speichern. 

Das DRYSOM-Team empfiehlt den EU-Politikern, bei Waldüberwachungsprogrammen und Studien zum Klimawandel einen stärkeren Schwerpunkt auf die Bodenfauna zu legen.   

„Die Bodenfauna ist viel wichtiger, als wir bisher angenommen haben“, sagt Hagedorn. „Sie kann Veränderungen des Bodenkohlenstoffs vorantreiben und reagiert sehr empfindlich auf Klimaveränderungen, insbesondere auf Trockenheit.“ 

EU-Mission: Ein Bodenabkommen für Europa 

„Ein Bodenabkommen für Europa“ soll die Verschmutzung des Bodens verringern und die zahlreichen Arten, die in ihm leben, schützen. Aktuell weisen etwa 60-70 % der Böden in der EU Schätzungen zufolge einen ungesunden Zustand auf. 

Die Mission spiegelt die Rolle des Bodens als Grundlage für die Nahrungsmittelproduktion, Süßwasser, biologische Vielfalt und kulturelles Erbe wider. 100 Testflächen, auch auf einzelnen Bauernhöfen, werden das Ziel der Mission anführen, bis 2030 zu gesünderen Böden überzugehen. 

Lesen Sie hier mehr über die EU’ Bodenmission.  

Weitere Infos 

Artikel von Jessica Berthereau

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APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die Finanzierung der für diesen Artikel erforderlichen Forschung erfolgte durch das Horizon-Programm der EU, im Falle von DRYSOM auch durch die Marie Skłodowska-Curie Actions (MSCA). Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde erstmals in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.