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Mehr zum Thema / Hermann Mörwald / Donnerstag 14.04.22

Dem Ziegel ins Innenleben schauen

Den Mauersteinen und insbesondere den Ziegeln wird beim Wohnbau hohe Wertschätzung entgegengebracht. Immerhin entscheiden sich in Österreich laut dem Fachverband der Stein- und keramischen Industrie 70 Prozent beim Wohnbau für den jahrtausendealten gebrannten Baustoff. Von der technischen und technologischen Seite betrachtet scheint jedoch weiterhin viel Potenzial vorhanden zu sein.
TU Wien/IMWS

Es gibt einen Innovationsstau, wird von mehreren Seiten attestiert. Den will Forschungsleiter Josef Füssl mit seinem Team vom Institut für Mechanik der Werkstoffe und Strukturen der TU Wien in Zusammenarbeit mit der Ziegelindustrie mit dem Projekt „Innovative Brick“ und dem Nachfolger „Innovative Brick 2“ etwas aufbrechen.

Vorweg, im Groben geht es bei dem FFG-Projekt um den Aufbau eines virtuellen Labors, mit dem die unterschiedlichen Ziegelscherbenmischungen („Ziegel ist nicht gleich Ziegel”) leichter, schneller und kostengünstiger vergleichbar gemacht werden sollen. „Die meisten Ziegeloptimierungen passieren in Laboruntersuchungen auf Basis von Erfahrung und empirischen Wissens. Sie sind teuer und aufwendig und die wissenschaftliche Literatur dazu ist spärlich“, erklärt Markus Königsberger aus Füssls Team im Gespräch mit APA-Science.

Wesentliche Fragen, die zum Verständnis essenziell wären, seien weiterhin ungeklärt: Zum Beispiel, wie beeinflusst die Zusammensetzung der Ziegel deren Eigenschaften? Welche der mikroskopisch kleinen Bestandteile der Ziegel sind ausschlaggebend für seine Festigkeit? „Auf diese Fragen suchen wir in unserem Projekt eine Antwort“, erklärt der Forscher die grundlegende Motivation.

Ziegelproduktion ist sehr energieintensiv Foto: APA/dpa/Themenbild
Virtuelle Prognosen

„Ein Ziel unseres Projekt ist also, die Eigenschaften eines Ziegels virtuell vorherzusagen und aufwendige Labortests zu ersetzen“, so Königsberger: „Will man einen Ziegel optimieren, können unterschiedliche Tone verwendet werden, die mit unterschiedlichen Zusatzstoffen vermengt sind.“ Dadurch entstehe eine riesige Matrix an verschiedenen Ziegeln, die man nicht mehr im Labor testen könne. Ein Prognosetool würde helfen, das Produkt rasch zu optimieren.

 

Nicht zu vernachlässigen sei auch die Klimabilanz. Königsberger weist darauf hin, dass der Baustoff grundsätzlich ein ökologisches Material sei: „Er ist regional verfügbar und langlebig und über den Lebenszyklus betrachtet sind die Treibhausgas-Emissionen überschaubar. Fakt ist aber, dass die Ziegelproduktion sehr energieintensiv (Anm. Der Brennprozess findet bei Temperaturen zwischen 900 und 1.100 Grad statt) ist.“ Der Brennstoff, der dafür aufgewandt werde, sei in den meisten Ländern weiterhin die Kohle, wobei es zu erklecklichen CO2-Emissionen komme.

„Man schätzt, dass knapp ein Prozent des anthropogenen CO2-Outputs auf die Ziegelherstellung zurückzuführen ist“, schildert der Forscher. Da der Ziegel in Gebäuden aber auch wärmedämmend und somit energiesparend wirke, könne er durchaus zur Reduzierung des CO2-Fußandrucks von Gebäuden beitragen. Königsberger attestiert dem Ziegel daher nachhaltiges Klimaschutzpotenzial, das man nur heben müsse. Dahingehend könnte ein Prognosetool, wie das von den Wissenschaftern beforschte, ebenfalls wirken.

Mikrostruktur in der Analyse

„Konkret haben wir uns die Mikrostrukturen, insbesondere die Porosität  von Ziegel aus unterschiedlichen Tonen, die von Abbaustelle zu Abbaustelle durchaus stark variieren können, auf unterschiedlichen Längenskalen im Labor angeschaut. Weiters wurden Produkte mit verschiedenen Porosierungsmitteln analysiert“, erläutert Thomas Buchner, Praedoc im Team Füssl, der zu dieser Thematik dissertiert, den ersten Schritt. So werden heutigen Ziegeln unter anderem Sägespäne beigefügt, um die Dämmeigenschaften des Ziegels zu erhöhen.

„Auf Basis der Versuchsdaten, die wir dabei generiert haben, haben wir versucht, zu verstehen, wie diese Mikrostrukturen, die Eigenschaften hinsichtlich Wärmedämmung und Festigkeit von Ziegeln beeinflussen“, erklärt Buchner weiter. Mit einem mikromechanischen Modell als Teil eines virtuellen Labors sei es in der Folge gelungen, die Dämmfähigkeit und die Festigkeit der verschiedenen Zusammensetzungen zuverlässig zu prognostizieren.

Mittels Knopfdruck Material umfangreich testen

„Wenn man also verschiedene Tone mischt und diverse Porosierungsmittel beigibt, kann man via Computermodell vorhersagen, welche Qualitäten bezüglich Festigkeit und Wärmedämmung zu erwarten sind“, umreißt Buchner den besonderen Wert der Idee. Mit einem „Knopfdruck“ sei es möglich, im virtuellen Labor eine riesige Menge an Materialtests durchzuführen, ergänzt Königsberger. So komme man dem gewünschten Ziegel näher.

 

„Der klassische Wandziegel soll einerseits eine hohe Wärmedämmfähigkeit haben, andererseits braucht er als Teil der Tragstruktur eine ausreichende mechanische Festigkeit. Das sind zwei Eigenschaften, die sich diametral gegenüberstehen. Für eine gute Wärmedämmung sollte der Ziegel leicht und porös sein, für eine hohe Festigkeit braucht er allerdings eine dichte Struktur, die wenig Poren aufweist“, so Königsberger. Diese beiden Anforderungen optimal zu verbinden, sei sehr kompliziert und aufwendig, wenn Versuche nur in Laboren mit begrenzter Zeit und begrenzter finanzieller Ausstattung möglich seien: „Im virtuellen Labor dagegen ist man nicht limitiert“, erklärt Königsberger. Er ist zuversichtlich, dass es weitere Projekte geben wird, um das virtuelle Labor – etwa hinsichtlich der Optimierung der Brenntemperaturen – auszuweiten.

FE-Simulation-Ziegel Foto: TU Wien/IMWS
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