Der richtige Holzweg
Der Holzbau wächst seit geraumer Zeit stetig. In den vergangen Jahren hat sich der Holzbauanteil fast verdoppelt. Ungefähr ein Drittel der Baukörper wird laut von APA-Science befragten Forschern in Österreich in Holz ausgeführt – zumeist im Bereich Einfamilienhaus. Im mehrgeschoßigen Wohnbau gibt es Leuchtturmprojekte in Holzbauweise, was aber noch nicht in der Breite angekommen ist. Die Wissenschafter glauben aber, dass es in diesem Bereich zu starken Zuwächsen kommen wird.
Dass die große Masse noch immer im Ein- oder Zweifamilienhausbau liegt, ist laut Thomas Schnabel, Forschungsleiter am Studiengang Holztechnologie & Holzbau an der Fachhochschule Salzburg, historisch zu erklären. „Am Anfang ist klarerweise das Einfamilienhaus gestanden, man startet nicht sofort mit 24 Stöcken“, verweist er auf das Leuchtturmprojekt im Wiener Stadtteil Aspern, wo mit 24 Stockwerken Österreichs höchstes Holzwohnhaus (84 Meter) steht. „Ein Projekt mit internationaler Strahlkraft“, wird betont.
BSP: „Wer hat’s erfunden“
Beim klassischen Holzhaus werde meist vom Fertigteilhaus ausgegangen. Das sei eine relativ effiziente Rahmenbauweise mit Dämmstoffen und Werkstoffplatten, erläutert Johannes Konnerth vom Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe der Boku Wien: „Vor ungefähr 20 Jahren ist dann das Brettsperrholz (BSP) unter maßgeblicher Mitwirkung von Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz, entwickelt worden, das besonders den mehrgeschoßigen Holzbau im urbanen Raum vorangebracht hat. BSP ist ein flächiges Material mit dem man massive Holzwände bauen kann. BSP-Platten in Kombination mit Brettschichtholz (BSH-Trägern) haben in den vergangenen Jahren durch diverse Leuchtturmprojekte gezeigt, dass mit ihnen effizient mehrgeschoßige Gebäude auch im städtischen Umfeld realisierbar sind“, so Konnerth.
Außerdem haben sich in den vergangen Jahren laut den Forschern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für den mehrgeschossigen Holzbau geändert. Vor wenigen Jahren sei es noch unmöglich gewesen, ein mehrgeschossiges Wohnhaus wie in Wien/Aspern zu errichten. Um im Holzhochbau aber künftig in die Masse zugehen, seien Gebäude zwischen vier und acht Stockwerken interessant, erklärt Konnerth. Diesbezüglich passiere schon einiges, was über Einzelprojekte hinausgehe, attestiert der Forscher. Er erwartet weitere nennenswerte Zuwächse. Das lasse sich zudem daran ablesen, dass sich die weltweiten Produktionskapazitäten von BSP derzeit von einer Million auf zwei Millionen Kubikmeter verdoppeln.
Vorgefertigt
Der große Vorteil des Holzbaus ist der hohe Vorfertigungsgrad. Die Modulbauweise könne in allen (Wohn)-Baubereichen zusätzliche Vorteile haben. Die Grundlagen dafür sind geschaffen, und es wird in Zukunft vermehrt derart gebaut werden, ist sich Schnabel sicher, der sich bei seiner Arbeit im Kern darum bemüht, aus Holz hochwertige Rohstoffe zu gewinnen.
Thermisch aktiviert
Der Holztechnologe Thomas Schnabel untersuchte unter anderem die Grundlagen für eine thermische Aktivierung von Massivholz. Bei dem Projekt, das im August 2021 abgeschlossen wurde, wurden wichtige Materialkennwerte (z.B. Wärmeleitfähigkeitswerte und Rohdichte) von unterschiedlichen Holzarten und weiteren Materialien im Labormaßstab bestimmt. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden mögliche Aufbauten von Bauteilen entwickelt, um eine optimale Wärmeausbreitung zu ermöglichen. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Forschungsbereich Smart Building & Smart City durchgeführt. Im März dieses Jahres hat ein weiterführendes Projekt gestartet und zusammen mit heimischen Unternehmen wird an der Umsetzung der thermisch aktivierten Holzbauteile geforscht.
Weniger Masse bringt logistische Vorteile
Beim Einsatz von Holz als Baumaterial ist laut Konnerth auch das Verhältnis von Masse und Leistungsfähigkeit herausragend. Man braucht weniger Masse, um große Projekte zu realisieren, was auch logistisch ins Gewicht fällt. Dem Bauen und Wohnen werden fast 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes zugerechnet, davon entfällt ein nicht unwesentlicher Teil auch auf den Baustellen-Transport. Da komme dann natürlich das Gewicht der verwendeten Materialien ins Spiel.
Wenn der Vorfertigungsgrad hoch ist, braucht man den Angaben zufolge bei Holzbauten außerdem oft nur ein Viertel der Bauzeit im Vergleich mit konventionellen Projekten. Betrachtet man lediglich die Baukosten, ist allerdings der konventionelle Bau etwas billiger. Laut dem Wissenschafter lag Holzbau zumindest vor der Coronakrise bei den Kosten um 10 Prozent über dem konventionellen Bau. Berücksichtige man aber den gesamten Lebenszyklus mit Rückbau, Recycling, Entsorgung etc. dann sollte der Holzbau günstiger kommen.
Hybrid Bauen
Bei der Holz-Hybridbauweise werden Holz und Beton kombiniert. Dabei übernehmen beiden Baustoffe die statischen Lasten gemeinsam. Betoninnenwände und Holzaußenwände tragen gemeinsam die Betondecken. „Dabei wird das Beste aus zwei Welten vereint. Durch die Kombination ergeben sich positive Eigenschaften für beide Materialien“, erklärt Konnerth, der die Hybridbauweise positiv sieht, wenn man dadurch „insgesamt die Ressourceneffizienz und die technischen Eigenschaften steigern kann.“ Im Hoho in Aspern aber auch in anderen Bauwerken sei das auch schon realisiert worden.
Balance halten
Bezüglich der Verfügbarkeit des Werkstoffes Bauholz meinen die Experten, dass hierzulande für die nächsten Jahre genug vorhanden sein wird: „Wir ernten zurzeit 70 bis 80 Prozent von dem, was nachwächst. Die Balance passt also.“
Dem Rohstoff Holz werde aber einiges abverlangt. Zum einen werden möglichst langlebige Produkte gewollt, außerdem sollen im Zuge der Dekarbonisierung energieintensive Produkte möglichst substituiert werden. Auf der anderen Seite soll Holz vermehrt im Energiebereich zum Einsatz kommen; nicht zu vergessen die Papier- und Zellstoffproduktion. Das Portfolio für den Holzeinsatz, ist ein breites. Das konkurriere sich manchmal, so Konnerth.
Kaskade
Dem gegenüber stehe der Klimawandel, der den Wald ganz stark betreffe. Einen Konflikt der heimischen Holznutzung sieht Konnerth daher darin, dass eine sehr große Menge des Holzeinschlages ohne vorherige Nutzung als Werkstoff in der Heizung landet. Es gehe jetzt darum, die „Nutzung in die richtige Reihenfolge zu bekommen“.
Die Forscher präferieren daher eine kaskadische Holznutzung. Dabei gehe es um eine effiziente und letztlich nachhaltige Nutzung innerhalb der Wertschöpfungskette Holz. Sie weisen aber darauf hin, dass in vielen Fällen bereits kaskadisch gedacht werde. Das nachhaltige Bewusstsein sei bereits teilweise angekommen, sind sie zuversichtlich.
Bei Kuppelprodukten ansetzen
Konnerth meint weiter: „Vom Baum bis zum Holzbauprodukt bleiben rund 40 Prozent des Ausgangsmaterials übrig. 60 Prozent sind Kuppelprodukte – Produkte, die bei der Herstellung der Hauptprodukte als Nebenprodukte entstehen – , die kurzfristig als CO2-Speicher verloren gehen. Wenn wir über Potenziale für Holzbaumaterial nachdenken, müssen wir hier ansetzen. Da wären noch etliche Zuwachsraten zu heben.“ Die Idee sollte sein, aus diesen nicht genutzten Materialien Bauwerkstoffe zu entwickeln, die dann möglichst lange CO2 binden.
Die thermische Nutzung von Holz müsse zum spätesten Zeitpunkt stattfinden, unterstreicht er. Noch gebe es genug Holz, letztlich sei es aber ein endlicher Rohstoff. Daher spricht sich der Holztechnologe für Anreizsysteme aus, um Holz möglichst lange im Kreislauf zu halten. Um zum Beispiel Pelletsöfen optimal zu nutzen, brauche es frisches Rohmaterial. Recyceltes Holz wiederum könne jedoch nur in einem kontrollierten – meist industriell oder bei der Fernwärme genutzten – Ofen optimal verbrannt werden, steht Konnerth den derzeit intensiv vermarkteten Hausbrand mittels Holzkuppelprodukten kritisch gegenüber.
Die Konkurrenz um den Rohstoff zu anderen Industrien sieht Schnabel dagegen nur bedingt. Dort werde zu einem großen Teil auf andere Holzarten und –sortimente, aber auch anfallende Nebenprodukte – z.B. Schleifholz zur Papierherstellung – der Holzverarbeitung zugegriffen. Eine Herausforderung für die Wissenschaft aber auch die Industrie sei es, dass aus den „zweiten Produkten“ und den Kuppelprodukten noch mehr hochwertige Materialien entwickelt werden müssen, meinen die Holztechnologen.
Ressourcen effizient verwenden
Potenzial gebe es auch noch bei der Ressourceneffizienz. Dabei werden die Forschungsanstrengungen bezüglich des Einsatzes von Laubhölzern verstärkt. „Das sind Holzarten, die andere Eigenschaften aufweisen und völlig anders zu behandeln sind. Wenn wir den Holzbau massiv steigern wollen, muss aus den bestehenden Ressourcen mehr herausgeholt werden. Dabei sollten außerdem neue Prozesse entworfen werden“, erklärt Konnerth.
„Die Holztechnologie in Österreich hat sich seit jeher mit Nadelbäumen beschäftigt und erst mit ausreichender Verfügbarkeit das Laubholz miteinbezogen“, ergänzt Schnabel. Mittlerweile gebe es bereits Laubholzprodukte, die im Bau für hoch beanspruchte Bauteilelemente eingesetzt werden können.
Ausbeute erhöhen
Konnerth etwa arbeitet daran, wie man aus Nebenprodukten verschiedener Holzarten Materialien entwickeln kann, die auch im mehrgeschossigen Holzbau einsetzbar sind. „Das sind neue Produkte und wirkliche Erweiterungen, denn 40 Prozent Ausbeute aus dem Rohmaterial wird künftig nicht genug sein“, meint Konnerth.
Ebenso werden künftig die Wände anders ausschauen müssen. Momentan seien alle Wände gleich dick aber nicht ist gleich belastet. Im Sinne der Ressourceneffizienz könne man sich diese Verschwendung nicht erlauben. Da brauche es viel Know-how, man müsse schon vorher wissen, wo tritt welche Last auf, passe dann die Werkstoffe auf den jeweiligen Lastfall an, damit an allen Bereichen eines Bauwerkes nur so viel Material verwendet wird wie notwendig.
„Das sind immense Herausforderungen, weil die Bau- und die Holzindustrie derzeit noch nicht so tickt. Da muss noch einiges passieren“, fasst der Holztechnologe zusammen. Künftig werde man wohl traditionelle Fertigkeiten mit innovativen Technologien kombinieren müssen. Diesbezüglich sind die Wissenschafter aber zuversichtlich: „Wir haben in Österreich einen sehr guten Anteil an innovativen Betrieben. Das zeichnet uns aus, daher zählen wir zu den führenden Ländern bei der Holzverarbeitung und im Holzbau.“
Wälder nicht nutzen?
Konnerth sieht das Thema, Wälder aus der Nutzung zu stellen, als keinen sinnvollen Weg. Wald nimmt Kohlenstoff nur auf, wenn er wächst. Das ist ein endlicher Prozess, der damit endet, dass der tote – ungenutzte – Baum das CO2 wieder freigibt. Ein Wald, der nicht professionell gepflegt wird, ist langfristig CO2-neutral, ohne damit Energie zu erzeugen oder als Baumaterial verwendet werden zu können – ein Nullsummenspiel. Dagegen stehe die Rechnung, dass ein rechtzeitig für Baumaterial genutzter Baum optimalerweise noch über Jahrzehnte hinweg CO2 binde und am Zyklusende noch als Energielieferant dienen könne. Damit würden Substitutionseffekte durch Vermeidung der Produktion von energieintensiven Materialien erreicht, die mit ungenutzten Wäldern nicht gehoben werden könnten.