Künstliche Intelligenz wird zum Alltagshelferlein
Auch im Alltag kann Künstliche Intelligenz (KI) bereits einen wichtigen Beitrag zur Gesundheit leisten – etwa durch Sturzprävention in den eigenen vier Wänden, als Unterstützung für Mitarbeitende in der Pflege oder für das Wohlbefinden von neurodiversen Menschen. Sogar bei der Einschätzung des Verletzungsrisikos im Profifußball kommen smarte digitale Helferlein inzwischen zum Einsatz.
Gestürzte Personen erkennen
Wie KI dazu genutzt werden kann, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu führen, beleuchtet das Projekt „Smart Companion 2„. Um Risiken zu vermindern, kommen derzeit oft Notrufsysteme für den Heimgebrauch zum Einsatz. Diese erfordern allerdings meist eine aktive Kontaktaufnahme und sind mit einem gewissen Stigma verbunden. An der Fachhochschule (FH) St. Pölten wollte man daher einen anderen Weg gehen: „Wir machen Staubsaugroboter intelligenter, damit sie Stürze erkennen und im Notfall die Rettung rufen. Und sie können sogar Stürze verhindern“, so Andreas Jakl vom Department Medien und Digitale Technologien.
Dabei übernehmen die inzwischen weit verbreiteten und mit vielen Sensoren ausgestatteten Staubsaugroboter die Sensorik, ein Sprachassistent wie beispielsweise Alexa die Kommunikation. Diese Anwendungen gelten als akzeptiert und wurden um bestimmte Funktionen erweitert. Bei aktuellen Staubsaugrobotern sei bereits KI im Einsatz, um Hindernisse wie Tierkot am Boden zu erkennen. Gemeinsam mit der Robert Bosch AG trainieren die Forscher die KI mit völlig neuen Daten, damit gestürzte Personen sowie Hindernisse aus der Boden-Perspektive erkannt werden.
Um die Zahl der Fehlalarme möglichst gering zu halten, werde außerdem über eine KI-gestützte Sprachassistenz bei den Personen zuerst nachgefragt, ob sie Hilfe benötigen. Dann erst nehme der Projektpartner Arbeiter-Samariterbund den Heimnotruf an und bewerte die Situation. „Das Feedback nach Tests in einem simulierten Setting war sehr positiv. Jetzt geht es darum, das System in Alltagssituationen zu erproben. Der Smart Companion wird in mehreren Wohnungen jeweils einen Monat zum Einsatz kommen, um die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren noch besser zu verstehen“, sagt Jakl.
Lebensräume für neurodiverse Menschen
Auf intelligente Sensornetzwerke, die mit Künstlicher Intelligenz gekoppelt sind, setzt man auch bei BeSENSHome. Ziel des kürzlich gestarteten Projekts ist es, dass sich neurodiverse Menschen, also etwa Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung, in ihren Lebensräumen, egal ob Wohnung, Arbeitsplatz oder Begegnungsstätte, wohlfühlen. Dabei werden die Vorlieben oder Anforderungen der Bewohner erlernt und die Umweltbedingungen angepasst. Auch mögliche Stressursachen wie Lärm, Temperaturschwankungen, Blendung oder schlechte Lichtqualität – für sensorisch sensible Personen äußerst wichtige Faktoren – finden Berücksichtigung, erklärt Bernhard Hollaus vom Department Medical & Health Technologies am Management Center Innsbruck (MCI).
„Es geht darum, mit KI Emotionen beziehungsweise den Gemütszustand der neurodiversen Personen richtig zu erkennen oder zu deuten, um darauf aufbauend Entscheidungen treffen zu können. Hier betreten wir in diesem Projekt tatsächlich Neuland“, so Hollaus. In einer betreuten Umgebung soll es zudem, wenn ein Eingreifen notwendig ist, eine Alarmierung geben, bevor potenziell gefährliche Bedingungen auftreten können. Eine Herausforderung bestehe in der Einbettung in konventionelle Umgebungen, die nicht für diesen Zweck konzipiert und gebaut wurden. Wichtig sei, dass der Einsatz von KI den Menschen nicht ersetzt könne. „Es geht darum, die Pflegenden und auch die neurodiversen Personen bestmöglich in ihrem Alltag zu unterstützen, um dem großen Fachkräftemangel durch Technologie teilweise entgegenwirken zu können“, sagt der Experte.
Passive Dokumentation entlastet Pflege
Pflegepersonal zu entlasten, wird auch im Projekt NUDOCU angestrebt. Konkret sollen durch die Kombination von Wearables, wie etwa Oberarm-Bänder oder -Schlaufen, Kontextinformationen und KI die Pflegeaktivitäten automatisch erkannt und dokumentiert werden. Ziel des gemeinsamen Vorhabens der Solgenium GmbH, der Barmherzigen Brüder Linz, der Fachhochschule (FH) OÖ und des Software Competence Center Hagenberg ist es, den Aufwand zu senken, Zeit für die Interaktion mit Patienten zu schaffen und Fehler zu reduzieren.
Genutzt werden dazu einerseits historische Daten aus der Pflegedokumentation und Zusatzinformationen wie die Qualifikation der Pflegeperson oder Patienteninformationen wie Alter, Geschlecht und medizinische Diagnosen. So lassen sich die wahrscheinlichen Pflegetätigkeiten, die zu einer gewissen Uhrzeit anfallen, stark einschränken. Durch den ergänzenden Einsatz von Human Activity Recognition (HAR) mittels am Oberarm getragener Wearables können zudem Beschleunigungs- und Gyroskopdaten gesammelt und KI-Modelle trainiert werden.
Vorschläge müssen nur bestätigt werden
Die Kombination dieser zwei Ansätze erlaube die Identifikation der mit größter Wahrscheinlichkeit durchgeführten Pflegemaßnahmen. Diese werden den Pflegepersonen mit entsprechenden Zusatzinfos automatisch angezeigt und müssen nur noch bestätigt werden. Durch eine etwaige Korrektur dieser Daten durch die Pflegenden würden die Modelle mit zunehmender Anwendung präziser. Dabei soll sich die Software an die Arbeits- und Denkweise der damit interagierenden Menschen anpassen „und keinesfalls umgekehrt“, so die Projektverantwortlichen.
Ein Zugriff von Vorgesetzten auf die Bewegungsaufzeichnungen sei nicht möglich. Werden Tätigkeiten durchgeführt, die keinem trainierten Muster zugeordnet und von der Pflegekraft nicht eingeordnet werden können, erfolge keine Speicherung beziehungsweise Weiterverarbeitung des Zeitslots. Außerdem werden den Angaben zufolge in jeder Projektphase Datenschutzbeauftragte eingebunden.
Verletzungsrisiko bei Profisportlern
Auch in den Alltag von Profisportlern hält KI zusehends Einzug. Ein Beispiel dafür ist ein Algorithmus, der eine Einschätzung des Verletzungsrisikos von Fußballern erleichtern soll. Per App werden Daten erhoben, die Trainer erhalten eine Rückmeldung in Echtzeit und können dann eine Entscheidung treffen. Die Verknüpfung von menschlicher und maschineller Intelligenz steht dabei im Vordergrund, erklärt die Sportmedizinerin Anne Hecksteden unter deren Federführung der Algorithmus entwickelt wurde.
Die engmaschige Beobachtung soll sicherstellen, dass die Spitzensportler ihre Leistung abrufen können, ohne durch sich anhäufende Regenerationsdefizite ein erhöhtes Risiko für Verletzungen einzugehen. Helfen sollen die Forschungsergebnisse auch im Frauenfußball. Dort gebe es etwa viel häufiger Kreuzbandrisse als bei Männern. Warum, sei noch nicht klar, so Hecksteden, die einen gemeinsamen Lehrstuhl von Universität Innsbruck und Medizinischer Universität Innsbruck innehat.