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Mehr zum Thema / Marietta Steinhart / Montag 11.11.24

Nachhaltig bauen: Wir müssen nur wollen

Klimafreundlicher Beton, digitale Zwillinge und 3D-Drucken: In der heimischen Forschung zeigt sich viel Potenzial für nachhaltiges Bauen und die Kreislaufwirtschaft – es muss nur in die Praxis umgesetzt werden. „Es gibt so viel Potenzial, das leider noch nicht genutzt wird“, sagt Tajda Potrc Obrecht von der TU Graz im Gespräch mit APA-Science, „weil es derzeit noch nicht wirtschaftlich ist“.
Credit: VRVis Die Planungsphase ist entscheidend für die Kreislauffähigkeit

Das Sprichwort „Das grünste Haus ist das, das nie gebaut wurde“ mag zynisch klingen, enthält aber ein Körnchen Wahrheit. „Man kann kein Haus bauen, ohne CO2-Emissionen zu verursachen und ohne Ressourcen zu verbrauchen“, konstatiert die Expertin, „aber es gibt sehr einfache Methoden, wie man diese CO2-Emissionen verringern kann, wenn man das in die Planung schon miteinbezieht.“ Man könne ein Gebäude zum Beispiel mit Solaranlagen ausstatten. Und im Grunde, sagt die Wissenschafterin, „hat jedes Material das Potenzial, CO2-Emissionen zu verringern“. So arbeitet die TU Graz beispielsweise an einer weiteren Methode, Beton – das weltweit meistverwendete Baumaterial – klimafreundlicher zu machen.

Potrc Obrecht ist seit mehr als drei Jahren Teil der Forschungsgruppe um Alexander Passer, wissenschaftlicher Leiter des Universitätslehrgangs Nachhaltiges Bauen an der TU Graz. Ihre Doktorarbeit schrieb sie darüber, wie man die CO2-Emissionen bei der Renovierung von Gebäuden berechnen kann. Es wird sehr intensiv in Österreich geforscht, erzählt sie, und inzwischen werden viele Ressourcen in das Thema gesteckt. „Die Baubranche ist traditionell und bestimmte Dinge dauern da einfach länger.“

"Effizienz, Suffizienz und Konsistenz, das sind drei Faktoren, die für die Nachhaltigkeit sehr wichtig sind.“ Tajda Potrc Obrecht von der TU Graz

„Brauchen wir das überhaupt?“

Womöglich existiert das grünste Haus ja bereits. „Die vielleicht wichtigste Frage wird bereits bei der Planung oft vergessen“, sagt die Wissenschafterin. „Brauchen wir das überhaupt?“ Denn bevor das Bauen überhaupt beginnt, müsse man sich als allererstes die Frage stellen: „Können wir unsere Bedürfnisse vielleicht auch anders abdecken? Kann man vielleicht renovieren? Welche Ressourcen sind bereits vorhanden? Müssen wir überhaupt neu bauen? Effizienz, Suffizienz und Konsistenz, das sind drei Faktoren, die für die Nachhaltigkeit sehr wichtig sind“, so die Expertin. In Österreich gibt es zum Beispiel das Projekt KRAISBAU, an dem die TU Graz und mehr als 30 andere Partner beteiligt sind. Das Ziel: Kreislaufwirtschaft in der österreichischen Bauwelt systemisch vorantreiben und Impulse Richtung KI-unterstütztes zirkuläres Bauen setzen.

Visual Computing, insbesondere Visualisierung und Simulation, können entscheidend dazu beitragen, in der Baubranche Material, Ressourcen und Zeit einzusparen. „Die Realität ist leider, dass es in der Praxis weniger genutzt wird“, meint Potrc Obrecht, aber Künstliche Intelligenz und Digitalisierung können dabei helfen, bestimmte Ressourcen schon beim Bau zu bestimmen, also die Planung zu optimieren. Einer, der sich damit beschäftigt ist Christoph Traxler vom Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) in Wien. „Mit Hilfe der Digitalisierung kann man schon bei der Planung einfacher und besser entscheiden, was überhaupt wiederverwertbar ist und was nicht“, erklärt der Visualisierungsexperte gegenüber APA-Science. „Und das spart unheimlich viel Zeit.“

Christoph Traxler vom Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis)
Planung in Verbindung mit BIM und digitalem Zwilling

„Wir arbeiten auch an einem Projekt, bei dem es um die Simulation von thermaler Energie geht, also wie sich die Wärmeenergie innerhalb eines Gebäudes verbreitet“, erzählt der Forscher. „Solche Dinge kann man sehr exakt in Richtung Wiederverwertung planen.“ Gemeinsam mit dem Wiener Energieplanungsexperten InPlan Ingenieure entwickelt das VRVis seit Jahren eine „ganzheitliche Datenlösung“ für energieeffiziente Bauplanungen. Durch die Kombination eines intelligenten Gebäudedatenmodells, Building Information Modelling (BIM) genannt, und digitalen Zwillingen können bereits in der Planungsphase die effizientesten und nachhaltigsten Materialien sowie Bauweisen ausgemacht werden. Der digitale Zwilling sei die Zukunft von Digitalisierungsprojekten aller Art. Er werde für den Betrieb, die Instandhaltung und auch in zunehmendem Maße für die Wiederverwertung von Materialien verwendet.

Eines der interessantesten Projekte der Vergangenheit, das noch nicht ausgerollt wurde, so Traxler, ist AM4Rail, ein Forschungsprojekt zur additiven Fertigung und 3D-Druck im Bahnverkehr der ÖBB. „3D-Druck ist ja auch viel wirtschaftlicher und spart Ressourcen“, betont Traxler. Mit Visualisierung- und KI-gestützten Technologien entwickelt das VRVis nachhaltige Ersatzteilmanagementlösungen – das hat großes Potenzial für die klimaschonende Zukunft.

In einem weiteren Projekt mit dem Titel Rail4Future arbeitet das VRVis darüber hinaus an der Entwicklung einer virtuellen Validierungsplattform für großskalige Simulationen ganzer Bahnstrecken mit. „Das heißt, man lässt mehrere Güterzüge über digitale Schienen fahren und kann dann erkennen, wie stark die Schiene darunter leidet“, so der Forscher. „Es wäre das erste Mal, dass man aufgrund der Simulationsdaten eines digitalen Zwillings entscheidet, wann man was machen muss.“

Bisher gab es am VRVis noch nicht so viele Projekte, bei denen es entschieden um Kreislaufwirtschaft ging, sagt der Experte, aber es gehöre inzwischen zum Gesamtpaket des Unternehmens dazu. „2025 wird es dann dezidiert ein Thema sein“, betont er. Denn davon ist auch der Visualisierungsexperte überzeugt: Kreislaufwirtschaft ist die Zukunft. „Da bin ich mir sehr sicher, weil wir immer nachhaltiger bauen müssen“, betont er: „Besserer Verbau von Materialien, bessere Planung schon am Anfang und auch die vorausschauende Wartung – damit kann man viele Ressourcen einsparen.”

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