Straßen, Brücken, Tunnel: Zirkuläres klotzen statt kleckern
Infrastruktur-Bauwerke wie Straßen oder Brücken sind massiver als oft wahrgenommen und mit den im Vergleich schlanken Kubaturen von Gebäuden kaum vergleichbar. Das ist eine der großen Herausforderungen, um zirkuläres Bauen in diesem Bereich zum Durchbruch zu verhelfen. „Es sind riesige Massen, die in die Jahre gekommen und jetzt gleichzeitig zu sanieren bzw. rückzubauen sind. Das kann man nicht einfach wie Plastilin durchkneten und dann wieder hinstellen“, erklärt Anna Huditz vom AIT.
Viele dieser Bauwerke würden aus den 50er- und 60er-Jahren stammen – also aus Zeiten, als es trotz Bauboom noch kein Thema war, was irgendwann beim Abbruch, Rückbau oder in der Sanierungsphase mit dem Material passiert. Straßen- und Schienennetz sowie Brücken und Tunnel – Infrastrukturbau ist laut der Expertin immer sehr massiv: „Die Straße besteht ja nicht nur aus ein paar Zentimetern Beton oder Asphalt, da gibt es einen riesigen Unterbau“, so Huditz, die als Head of Competence Unit Transportation Infrastructure Technologies beim Austrian Institute of Technology (AIT) fungiert. Auch bei Brücken brauche es für Widerlager und Stützen viel Material. Bei diesen Bauwerken könne derzeit nur ein gewisser Prozentsatz dem Recycling zugeführt werden.
Zwar gebe es viele Innovationen auch schon im Beschaffungsprozess. Bei öffentlichen Ausschreibungen habe im Sinne der Nachhaltigkeit etwa das Bestbieter- anstatt des Billigstbieter-Prinzips Einzug gehalten, wenn die Baufirmen das Recycling mit anbieten. Das funktioniere vor allem im Betonbau bereits gut, weil es relativ mobil und ortsunabhängig umgesetzt werden könne. Bei Asphalt sei das aber sehr schwierig, da es dafür nur sehr wenige Anlagen in Österreich gebe.
Nachholbedarf bei Materialdatenbanken
Ein Ansatzpunkt wären bundesweite Materialdatenbanken für die Sekundärbaumaterialien. „Häufig wird etwas ausgebaut, das auf der eigenen Baustelle nicht verwendet werden kann, aber vielleicht zeitgleich oder nur wenige Wochen später für jemand anderen durchaus einen wertvollen Rohstoff darstellen würde. Hier könnte man die Digitalisierung nutzen, um durch Transparenz und die Vernetzung untereinander, die Quote zum Beispiel im Bereich Recycling noch wesentlich nach oben zu schrauben“, meint Huditz im Gespräch mit APA-Science.
Ein immer stärker wahrgenommenes Thema seien auch nachhaltige Baumaterialien. „Betreiber oder Hersteller sind jetzt Gott sei Dank mittlerweile so weit, dass frühzeitig und schon in der Herstellung viel geforscht und auch viel in nachhaltige, ressourcenschonende und dementsprechend umweltverträglichere Materialien investiert wird. So kann man wegkommen von Beton und den Verbundwerkstoffen, die sehr schwer zu recyceln sind“, verwies Huditz beispielsweise auf ein Projekt in Österreich mit einem Unternehmen, das Schilflärmschutzwände herstellt.
Lärmschutzwände aus Lehm
Ob sich Lehm für Lärmschutzwände im Schienenverkehr eignet, wurde von einem Team um Hirut Grossberger von der Fachhochschule (FH) St. Pölten unter die Lupe genommen. Denn im Gegensatz zum Straßenbau, wo es erste Ansätze gibt, seien bei der Bahn die dynamischen Einwirkungen größer, etwa Druck-Sog-Wirkungen oder der Aufprall von Steinen. Aktuell sind Energieaufwand und Kosten bei konventionellen Wänden sehr hoch, da sie unter anderem aus Beton, Glas oder Aluminium bestehen. Deshalb sucht man alternative Materialien. „Lehm bietet viele Vorteile als Baustoff: Er fällt als Aushubmaterial bei Bauprojekten an, ist dementsprechend überall verfügbar, klimaschonend und nachhaltig“, sagte Grossberger.
Natürlich habe es auch wirtschaftliche Vorteile, wenn man sich Abtransport und Deponierung sparen könne. Lehm lasse sich einfach verarbeiten und beispielsweise in grobmaschige Säcke aus abbaubaren Materialien füllen. In den USA gebe es bereits sogenannte Superadobe-Taschen als Baumaterial. „Aus optischen Gründen könnte man die Lärmschutzwände auch bepflanzen. Hier muss aber erst erforscht werden, welche Pflanzen sich dazu eignen würden“, erklärte Grossberger. Ziel des Projekts sei auch gewesen, Menschen, die jahrelange Erfahrung mit Lehm haben, mit Personen, die für die Bahninfrastruktur verantwortlich sind, zusammenzubringen.
Sanierungen stößt an Grenzen
In der Planung sei der Gedanke an das „zweite Leben“ bereits gut verankert, sagte Huditz. Hier werde über die ganze Lebensdauer mitgedacht, wie diese Materialien oder Bauteile später wiederverwendet werden könnten. Es herrsche mittlerweile viel Bewusstsein, „dass man nicht mehr einfach alles zubetonieren kann, sondern dass da schon ein gewisser gesellschaftlicher Druck dahinter ist, wirklich nachhaltig zu bauen“. Bei den Sanierungen stößt man allerdings an gewisse Grenzen: „Auf eine Brücke, auf der beispielsweise bisher Asphalt gelegen ist, wird keine Betondecke drauf kommen, das geht sich statisch nicht aus“, erläuterte die Fachfrau.
Stark in den Fokus rücke hierzulande die Verlängerung des Lebenszyklus von Bauwerken. Die Infrastrukturbetreibenden, also von Gemeinden über die Asfinag bis zu der Wasserstraßen-Gesellschaft via donau oder den ÖBB, sei das auch in budgetärer Hinsicht wichtig. Bei einem Projekt mit den Bundesbahnen namens Rail4Future habe man beispielsweise bei der Restnutzungsdauer von Eisenbahnbrücken angesetzt. Hier werde aus Sicherheitsüberlegungen üblicherweise relativ rasch eine sehr umfassende Sanierung umgesetzt. Man könne sich aber auch anschauen, welche Lasten derzeit aufgebracht werden, da es teilweise um Brücken aus der Zeit von Kaiser Franz Josef gehe.
„Die Züge, die da heute drüber fahren, sind schließlich nicht vergleichbar mit den Zügen von damals. Wenn man sich die aktuellen Lasten anschaut und wirklich alles einfließen lässt, was man über diese Brücke weiß, mit intelligenter Sensorik, Detektoren und Erschütterungsmessungen, dann kann die Restnutzungsdauer oft vervierfacht werden, bis die Lebensdauer tatsächlich am Ende wäre – und das natürlich ohne Sicherheitseinbußen“, gibt die Expertin zu bedenken. Denn: „Die nachhaltigste Brücke ist die, die nicht gebaut wird.“
Unterstützt werde das durch intelligente Wartung und Erhaltung. Man könne beispielsweise über Satellitendaten die Bewegungen von Infrastrukturen, wie etwa Brücken, Schienen oder Dämmen, auf einen halben Millimeter genau feststellen, wobei über einen Algorithmus die Wetterdaten wie Temperatur und Wind herausgerechnet werden. Weil die Satellitendaten auch historisch verfügbar sind, lässt sich in die Vergangenheit des Bauwerks blicken und die Verformung seit der Fertigstellung vor vielen Jahren mitberücksichtigen.
Beim Fiber Optic Sensing wiederum schickt man Licht in eine Glasfaser, die aufgeklebt oder teilweise schon im Bauwerk einbetoniert ist. Anhand der Brechung, also wie das Licht wieder zurückkommt, lasse sich über viele Meter ganz genau sagen, wo ein Riss vorhanden und wie er beschaffen sei.
Mit wenig Aufwand Schäden detektieren
Mit diesem linearen Sensor, teilweise über ganze Brückenträger hinweg, könnten mit relativ wenig Aufwand die Bewegungen der Brücke oder Schäden detektiert werden. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) würden sich dann Vorhersagen treffen lassen, ob das statisch schon relevant ist und wann eingegriffen werden muss. „Es ist gerade im Bereich Lebenszyklus das A und O, die Infrastruktur und alle Parameter zu kennen, um Aussagen treffen zu können“, ist Huditz überzeugt.
Eine weniger beachtete Infrastruktur stellen die Treppel- und Radwege an der Donau dar, die durch via donau betreut werden. Um Fahrkomfort und Verkehrssicherheit sicherzustellen und notwendige Sanierungsmaßnahmen zu erkennen, wird der Zustand neuerdings automatisiert mit Fahrzeugen, Laserscan und künstlicher Intelligenz erfasst. Eine am AIT entworfene Systematik berücksichtigt auch Faktoren, die den Fahrkomfort beeinträchtigen, wie Wurzelaufwölbungen, Belagskanten oder hineinragende Äste. Dadurch können den Angaben zufolge ungefähr ein Drittel der Erhaltungskosten eingespart werden.