Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März hat APA-Science einige Wissenschafterinnen, Forschungsmanagerinnen und Rektorinnen befragt, wie sie heute die Situation von Frauen in der Wissenschaft einschätzen und was noch zu tun ist, um Frauen und Diversität in diesem Bereich zu fördern.
Es herrscht wohl Konsens darüber, dass Frauen heute sichtbarer in Wissenschaft sowie Forschung und Entwicklung (F&E) tätig sind als noch vor einigen Jahren. Auch die österreichischen Hochschulen sind an ihrer Spitze weiblicher geworden. Das zeigte sich etwa in den neubesetzten Leitungspositionen bei der Linzer IT:U (laut Gesetz das IDSA – Institute of Digital Sciences Austria), der Medizinischen Universität Graz, der Universität Klagenfurt sowie der Universität für angewandte Kunst Wien. Die Statistik bestätigt wahrgenommene Aufwärtstrends, dennoch: „Wir liegen in Österreich beim wissenschaftlichen Personal in der F&E bei rund 25 Prozent Frauen, in der Industrie überhaupt nur bei rund 17 Prozent“, sagt Karin Tausz, die gemeinsam mit Henrietta Egerth die Forschungsförderungsgesellschaft FFG leitet. Es brauche nach wie vor wie „bewusst paritätische Besetzung oder Förderprogramme“, meint sie.
“Es gibt immer mehr Beispiele erfolgreicher Wissenschafterinnen, die sowohl als Leiterinnen erfolgreicher Forschungsgruppen als auch in wichtigen institutionellen Positionen an Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen fungieren”, sagt die Innsbrucker Quantenphysikerin Francesca Ferlaino, die erst kürzlich für ihr Engagement bei der Gleichstellung von Frauen und Männern in dem Feld der Quantenphysik mit einem Staatspreis ausgezeichnet wurde. Die Aufgabe müsse es sein, “ein nachhaltiges Geschlechtergleichgewicht zu erreichen, in dem sichtbare Frauen in der Wissenschaft die Normalität und nicht die Ausnahme sind”.
Wirtschaftswissenschafterin Ada Pellert, derzeitige Rektorin der Fernuniversität Hagen und ab Dezember neue Rektorin der Universität Klagenfurt, ortet noch entscheidende Schwächen im System: “Die Attraktivität des Wissenschafts- und Hochschulsystems als Karriereweg hat abgenommen. Darauf gibt es viele Hinweise. Das ist ein Alarmsignal.”
Vernetzung und Mentoring forcieren
“Was mit einem Blick auf die USA in Österreich forciert werden sollte, ist die bessere Vernetzung von Wissenschafterinnen untereinander”, sagt Andrea Kurz, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin und seit 15. Februar neue Rektorin der Medizinischen Universität Graz. Zudem könnten Mentoring-Modelle auch dazu beitragen, dass sich Wissenschafterinnen nach Mutterschutz/Karenz wieder rasch in die Community einfügen können.
Die größte Herausforderung sieht Gender-Forscherin Sabine Grenz von der Universität Wien, die ebenfalls erst vor Kurzem mit einem Staatspreis für Frauen bedacht wurde, heute „in der vielfältigen gesellschaftspolitischen Gegenbewegung gegen Frauenrechte und die Rechte gesellschaftlicher Minderheiten“. Diese wirke sich auch auf die Wissenschaft aus bzw. “sind auch nicht alle Wissenschafterinnen und Wissenschafter frei von Ressentiments”.
Wikipedia-Biografien über Forschende
Es ist ein eher unkonventionelles, aber durchaus effektives Herangehen an das Thema, das die britische Physikerin Jessica Wade an den Tag legt. Sie setzt sich seit vielen Jahren für die Sichtbarkeit von Frauen und People of Color ein, indem sie Wikipedia-Biografien über die Forschenden verfasst. Prinzipiell sieht sie das System in der Pflicht, die Spielregeln zugunsten von Marginalisierten zu ändern. „Aber zuvor müssen wir die Menschen mehr über ihren Bias aufklären“, sagte die Britin jüngst in einem Gespräch mit der APA.
“Gender Equality”, also die Gleichstellung der Geschlechter, bedeutet in letzter Konsequenz für Brigitte Bach, seit Oktober 2023 Sprecherin der Geschäftsführung des Austrian Institute of Technology (AIT), eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Österreich mit Schwerpunkt auf angewandter Forschung, “dass Unterschiede als bereichernd geschätzt werden und jede und jeder die Möglichkeit hat, das eigene Potenzial zu entfalten”. Und: “Je diverser und interdisziplinärer Teams zusammengesetzt sind, umso kreativer und ganzheitlicher sind die Technologien und Lösungen, die erarbeitet werden.”
Auch für Innovationsforscherin Petra Schaper Rinkel, die Anfang Oktober 2023 als erste Rektorin der Universität für angewandte Kunst Wien antrat, ist Diversität ein Muss: “Wenn die Forschung selbst wieder divers sein kann und auch wieder große und bedeutsame – statt verschwindend klein spezialisierte – Fragen gestellt werden können, dann werden viele unterschiedliche Menschen forschen wollen.”