#CoronaAlltag: Lob dem Digitalen
Als Forscherin bin ich am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) tätig. An diesem sehr Technologie-affinen Institut beschäftige ich mich unter anderem mit der Frage, wie man historische Texte mit Hilfe von digitalen Methoden transkribieren, interpretieren und digital veröffentlichen kann. Als Ergebnis dieser wissenschaftlichen Erschließungsarbeit stehen unsere digital aufbereiteten Texte in Sammlungen online frei zur Verfügung und können gelesen oder durchsucht werden.
Seit einiger Zeit - und aus aktuellem Anlass - beforsche ich einen Text über die Pest in Wien, den der Prediger Abraham a Sancta Clara 1679 in häuslicher Isolation verfasst hat. Mit diesem Werk, "Mercks Wienn", hat er nicht nur der Stadt ein Denkmal gesetzt, sondern vor allem jenen Menschen, die damals in Wien geblieben sind, um anderen zu helfen. Sie werden gegen Ende dieses Werkes namentlich aufgelistet, wodurch ihr Andenken über die Jahrhunderte hinweg gewahrt und - durch die Onlineausgabe - auch im digitalen Zeitalter präsent bleibt.
Unsere Besprechungen finden bis auf Weiteres per Videokonferenzschaltung statt - für ein Digital Humanities-Institut stellt das im Grunde kein Problem dar, weil wir es ohnehin gewohnt sind, mit internationalen Partner*innen über weite Distanzen zu kooperieren. Auch intern haben sich schon vor der Krise digitale Kommunikationswege etabliert, weil wir an vier verschiedenen Standorten arbeiten. Unsere Erfahrungen mit verschiedenen Systemen und Kommunikationstools geben wir derzeit verstärkt an andere Institute weiter.
Abgesagt sind hingegen bereits geplante Konferenzen, wo wir unsere Forschungsergebnisse international präsentiert hätten - ersatzweise werden allerdings auch hier virtuelle Szenarien und digitale Formate erprobt. Besonders wichtig sind nun vor allem unsere Webseiten und unser Twitter-Account, wo die Digital Humanities-Community stark vernetzt ist und auf aktuelle Forschungsarbeiten hingewiesen wird.
Meine Student*innen an der Universität Wien habe ich nur einmal zu Semesterbeginn persönlich gesehen - seither sind wir auf digitale Lehre umgestiegen. Wir setzen ein Videokonferenztool ein, um zur gewohnten Seminarzeit Referate zu hören, Literatur zu diskutieren, Aufgaben zu besprechen und unsere Bildschirme zu "teilen": In der Lehrveranstaltung geht es um digitale Werkzeuge und da ist es praktisch, dass nicht nur Lehrende, sondern auch Studierende ihre Bildschirme für alle freischalten können, um zu zeigen, wie sie bestimmte Aufgaben gelöst haben. Dieses "Screen-Sharing" funktioniert im virtuellen Raum problemlos - in einer analogen Seminarsituation wäre das sogar etwas komplizierter.
Obwohl meine Arbeit als Wissenschaftlerin auch sonst die zeitweilige Abgeschiedenheit erfordert und Kooperationen auch virtuell jederzeit möglich sind, freue ich mich auf die Zeit "danach" - insbesondere auf ein Wiedersehen sowohl mit den Kolleg*innen an der ÖAW als auch mit den Studierenden an der Universität!
Zur Person: Claudia Resch ist Senior Researcher am Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Hertiage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dort leitet sie ein Projekt zur digitalen Erschließung der historischen Zeitung Wien[n]erisches Diarium und ist eingebunden in das Wiener Team des europaweiten Projekts Time machine, das von der EU im Rahmen von Horizon 2020 gefördert wird. Seit 2017 unterrichtet sie zudem am Institut für Geschichte der Universität Wien.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.