Natürliche Antibiotika: Abwehrstoffe von Bodenbewohnern vorbildhaft
Hornmilben, Tausendfüßler, Weberknechte und andere Spinnentierarten besitzen Drüsensekrete, die sie als natürliche Waffen gegen feindliche Angriffe einsetzen können. Forschende der Universität Graz untersuchen diese Substanzen, die teils auch antibakteriell wirken. Sie wollen herausfinden, ob die Inhaltsstoffe auch für medizinische Zwecke für den Menschen von Nutzen sein könnten. Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF fördert zwei Projekte mit insgesamt 800.000 Euro.
Die Widerstandsfähigkeit von kleinen Bodentieren (Arthropoden) gegenüber Angreifern aus ihrem unmittelbaren Lebensraum ist einer Fülle von Faktoren zu verdanken, die sich in Jahrmillionen wechselseitiger Anpassungen entwickelt haben, erklärte Günther Raspotnig vom Institut für Biologie der Universität Graz im Gespräch mit der APA. So stellen anatomische Merkmale wie beispielsweise Panzerungen des Körpers eine natürliche Barriere dar. Daneben haben die im Humus und Boden, aber auch in feuchtem Moos lebenden Tiere ein erstaunliches Arsenal an giftigen Abwehrwaffen entwickelt, um sich zur Wehr zu setzen.
Zum Einsatz kommen unter anderem Mischungen aus Kohlenwasserstoffen, Terpenen, Aromaten und Alkaloiden in unterschiedlichsten, artspezifischen Kombinationen. Hornmilben etwa (Oribatida) setzen Blausäure frei, wie Raspotnik schilderte. Er untersucht seit mehr als 20 Jahren die chemischen Interaktionen von bodenbewohnenden Gliederfüßern.
Abwehrsekrete als evolutionäre Erfolgsgeschichte
"Wir untersuchen uralte Tiergruppen, die zu den ersten gehörten, die vor Millionen Jahren den Landgang unternommen haben", führte Raspotnig weiter aus. Ihre seither entwickelten Abwehrsekrete seien eine "evolutionäre Erfolgsgeschichte", so der Forscher. Im Projekt "Niedermolekulare Naturstoffe aus Arthropoden" will er einige dieser chemischen Substanzen näher unter die Lupe nehmen: "Wir haben Stoffe gefunden, die komplett von gängigen Strukturen abweichen und ganz neue chemische Strukturen sein dürften", sagte Raspotnig. Diese wollen die Forscher in den kommenden vier Jahren nun mithilfe von Gaschromatografie und Massenspektrometrie weiter analysieren, synthetisieren und dann im Labor auf ihre Wirkung an bakteriellen Kulturen in der Petrischale austesten.
Für das Grazer Team ist diese antibakterielle Wirkung von besonderem Interesse: "Wir können zum Beispiel überprüfen, wie die Flüssigkeiten den Zellstoffwechsel oder Entzündungsfaktoren beeinflussen", erklärte Raspotnig. "Möglicherweise legen wir gerade den Grundstein für eine neue Klasse von Antibiotika", schloss der Biologe.
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