Wie die nächste Bundesregierung die Mobilitätswende vorantreiben kann
Während in anderen Sektoren Einsparungen erzielt wurden, sind die Emissionen im Verkehr zwischen 1990 und 2021 um 56,9 Prozent gestiegen - ein leichter Rückgang seitdem sei nur auf die wirtschaftliche Lage und hohe Benzinpreise zurückzuführen, hieß es bei einem Mediengespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" am Dienstag. Angesichts der bevorstehenden Regierungsbildung präsentierten Günter Emberger und Barbara Laa (beide TU Wien) Aufgaben und Lösungsansätze.
Beide Forschenden betonten eine notwendige Kombination von "Push-und Pull-Maßnahmen", also Einschränkungen des Pkw-Verkehrs und Attraktivierung der Alternativen. Im ländlichen Raum führe die bestehende Abhängigkeit vom Privatauto zu ökologischen und sozialen Problemen. Ohne Auto ist dort keine Teilhabe am öffentlichen Leben mehr möglich - und damit auch kein Zugang zu Bildung, Arbeitsplätzen und Gesundheitsdiensten. "Wie kann man der Bevölkerung eine Mobilität ohne Pkw ermöglichen?", fragte Emberger. "Wir kennen die meisten Antworten ja, mein Appell ist: Setzen wir sie auch um."
Bekämpfung der Zersiedelung
Diese Antworten umfassen etwa die Wiederbelebung der Ortskerne und Bekämpfung der Zersiedelung durch gezielte Raumplanung, die Verbreiterung von Gehwegen und Schaffung von Radwegen. "Sehr günstig und schnell wirksam ist zudem die Reduktion von Tempolimits", so Emberger. Neben weniger Emissionen, Lärm und Verkehrstoten würden sie wiederum auch Radfahren und das Zu-Fuß-Gehen durch erhöhte Verkehrssicherheit attraktivieren. Nicht zuletzt sei die Abschaffung "klimaschädlicher Subventionen", wie Pendlerpauschale, Dieselprivileg oder Dienstwagenbesteuerung, notwendig. "Das würde dem Budget helfen und Auswirkungen auf die Verkehrsmittelwahl der Zukunft haben", betonte der Forscher.
Auch im urbanen Raum müsse die künftige Bundesregierung rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen schaffen. Ein konkretes Beispiel ist die Veränderung der Straßenverkehrsordnung (StVO): In der vergangenen Legislaturperiode habe es zwar Maßnahmen hierfür gegeben, aber ihre Grundform stamme aus einer Zeit, als die Förderung des Autoverkehrs das erklärte Ziel war. "Meiner Meinung nach sind hier größere Reformen zur Priorisierung nachhaltiger Verkehrsmittel überfällig", sagte Laa.
Beschränkung der Emissionen
Im urbanen Raum seien neben einer Beschränkung der Emissionen Anpassungsmaßnahmen an Hitze und Starkregenereignisse zentral. "Warum diese notwendig sind, haben wir in den letzten Monaten mit Hitzewellen und Überschwemmungen alle erlebt", so Laa. Dafür könne der Straßenraum in Richtung mehr blau-grüner Infrastruktur umgestaltet werden, die den Wasserkreislauf integriert und zur Kühlung beiträgt. Klimafreundliche Maßnahmen würden so auch Chancen zur Verringerung sozialer Ungleichheiten bieten: Denn gerade Personen, die keinen eigenen Balkon oder Garten haben, könnten dadurch mehr Orte zur Naherholung vorfinden.
Damit einhergehende Einschränkungen des Pkw-Verkehrs wie autofreie Innenstädte, eine City-Maut oder verstärkte Parkraumbewirtschaftung sowie Umwidmungen im öffentlichen Raum hin zu durchgängigen Radwegnetzen und breiteren Gehwegen könnten zusätzlich mehr Menschen dazu bewegen, auf Rad oder Öffis umzusteigen. "Wir wissen dabei, dass Maßnahmenbündel, die Push- und Pull-Maßnahmen beinhalten, eher akzeptiert werden", so Laa. Als Beispiel dafür nannte sie die Koppelung von Einnahmen der Parkraumbewirtschaftung mit der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs.