#CoronaAlltag: Die Pharmaindustrie als Heilsbringer?
Die forschende Pharmaindustrie ist als kritische Infrastruktur in Zeiten der Coronavirus-Pandemie besonders gefordert. Einerseits arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Regel-Versorgung der PatientInnen in Österreich kontinuierlich, sicher und in hoher Qualität aufrechtzuerhalten. Wir stehen dabei vor ungeahnten Herausforderungen mit einem sehr geringen Maß an Planbarkeit. Denn - ähnlich den "Hamsterkäufen" bei Lebensmitteln - wurden teilweise auch Medikamente über die Maßen bevorratet und die Versorgung von PatientInnen mit chronischen, aber nicht lebensbedrohenden Erkrankungen stark beschränkt. Andererseits läuft selbstverständlich die Forschung an Therapien zur Bekämpfung von COVID-19 auf Hochtouren.
Denn: Letztendlich knüpfen alle Überlegungen und Hoffnungen zur Bekämpfung der weltweiten Pandemie an einem Punkt an - am Erfolg der Wissenschaft, das heißt an der Erforschung und Produktion einer Impfung und/oder eines Therapeutikums gegen die COVID-19-Infektion. Erst wenn mit der Anstrengung der innovativen Pharmaindustrie der Pandemie ein Ende gesetzt werden kann, können die Krisenmaßnahmen vollständig zurückgefahren werden.
Die Pharmaindustrie steht also plötzlich - entgegen dem Meinungstrend der letzten Jahre - als potenzieller "Heilsbringer" im Rampenlicht, und alle Augen sind auf die ForscherInnen in den Instituten und Pharmaunternehmen gerichtet. Dieser Verantwortung wollen wir gerecht werden und engagieren uns noch mehr als sonst.
Augen auf Pharmaindustrie gerichtet
Das hat einen bislang einzigartigen weltweiten Forschungswettlauf ausgelöst, in dem zugleich so viele Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungszentren entstanden sind wie noch selten zuvor.
Geforscht wird im Bereich der Prävention (darunter fallen Impfstoffe, die den Ausbruch der Erkrankung verhindern sollen), im Bereich der Entwicklung von neuen Substanzen für die Therapie und im Bereich der Behandlung von Erkrankten mit bereits bestehenden Medikamenten. Diese verfügbaren Medikamente werden beispielsweise in weltweit angelegten Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) getestet. Auch in Österreich werden Medikamente wie Virustatika, Immunmodulatoren und Medikamente für Lungenkranke im Rahmen von experimentellen Heilversuchen und in klinischen Prüfungen in den Kliniken eingesetzt.
Dabei ist es jedoch durchaus anspruchsvoll, die dringend benötigten Medikamente in ausreichender Menge zur richtigen Zeit zu den PatientInnen zu bringen. Das gilt besonders auch für Heilversuche - den sogenannten Off-Label-Use - von bereits verfügbaren Medikamenten für den Einsatz in der COVID-19-Therapie. Die derzeitige Corona-Situation hat gezeigt, dass der Bedarf je nach Bundesland unterschiedlich dringlich sein kann.
Einzigartiger Schulterschluss
Deshalb hat die forschende Pharmaindustrie einen einzigartigen Schulterschluss mit Gesundheitsministerium, Österreichischer Agentur für Arzneimittelsicherheit (AGES) sowie Krankenhausapothekern gebildet. Gemeinsam und koordiniert wird für eine bedarfsgerechte und rechtzeitige Versorgung der Spitäler in allen Bundesländern gesorgt. Das ist ein gutes Beispiel, wie in transparenter und partnerschaftlicher Weise Lösungen gefunden werden können. Und es ist ein wichtiger Schritt in der vorbildlichen Bewältigung der Situation.
Doch der Fokus lautet unvermindert: Forschung, Forschung, Forschung.
Fokus auf Forschung
Für die Forschung braucht es allerdings entsprechende Rahmenbedingungen und Impulse, die den Forschungsstandort Österreich für Unternehmen attraktiv machen. Denn eines darf man nicht vergessen: Ein Großteil dieses Engagements und damit verbundener Investments wird als "leere Kilometer" abgeschrieben werden müssen - weil die erhoffte Wirksamkeit nicht ausreichend gegeben ist oder weil die Sicherheit für die PatientInnen nicht groß genug ist. Medizinisch-pharmazeutische Forschung ist und bleibt ein hoch komplexes und überaus riskantes Geschäft.
Die nächsten Monate bleiben also spannend.
Zur Person: Mag. Ingo Raimon gilt als versierter Kenner der forschenden Pharmaindustrie. Der gelernte Jurist war seit über 30 Jahren für Abbott in unterschiedlichen Funktionen und Ländern tätig - in den letzten 13 Jahren als General Manager in Österreich. Mit Jänner 2013 übernahm Ingo Raimon die Geschäftsführung des biopharmazeutischen Unternehmens AbbVie. Seit Jänner 2018 vertritt Ingo Raimon erneut als Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) die Anliegen der forschungsbasierten Pharmaindustrie. Diese Funktion hatte er bereits von 2013 bis 2016 inne. Weiters ist er seit 2013 Vorstandsmitglied der Pharmig.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.