Verhaltensforscher: Arbeitsteilung ist Erfolgsrezept der Menschheit
Arbeitsteilung machte Menschen und Ameisen zu den erfolgreichsten Lebewesen der Erde, erklären die österreichischen Verhaltensbiologen Michael und Barbara Taborsky: "Damit können sie ihre Bedürfnisse extrem effizient erfüllen." Die beiden erstellten mit Kollegen einen Sonderband des Fachjournals "Philosophical Transactions of the Royal Society B", wo sie die Ursprünge, Varianten und Auswirkungen von Aufgabentrennung etwa bei Mikroben, Insekten, Fischen und Menschen erörtern.
"Ohne Arbeitsteilung wäre der Mensch ein nackter Affe, der unentwegt nach Nahrung und Schutz suchen müsste - und nach geeigneten Möglichkeiten, sich fortzupflanzen", sagte Michael Taborsky, emeritierter Professor von der Universität Bern, im Gespräch mit der APA: "Weil wir aber ständig mit anderen Menschen Dienste und Güter austauschen, sind wir letztendlich sogar in der Lage, die Welt zu verändern, sei es im Guten oder im Schlechten."
Auch Mikroben teilen sich die Arbeit auf
"Dies sind nicht nur kulturelle Errungenschaften", so die Forscher: "Man vergisst oft, dass Arbeitsteilung biologische Grundlagen hat." Sie kommt schon bei kleinsten und ursprünglichsten Lebewesen vor. In Kolonien von "Streptomyces coelicolor"-Bakterien gibt es zum Beispiel Individuen, die für die Fortpflanzung sorgen, indem sie wachsen und Sporen bilden, während andere Antibiotika herstellen und in die Umwelt abgeben, um konkurrierende Arten fernzuhalten, heißt es in dem Fachjournal.
Es gibt bei der Arbeitsteilung drei Varianten, sagte Michael Taborsky: Erstens kann jemand spontan und kurzfristig eine bestimmte Tätigkeit ausführen, um der Gruppe zu helfen. Zweitens ist eine zeitweise Spezialisierung möglich. "Bei den kooperativ brütenden Buntbarschen aus dem Tanganjikasee, die wir selbst erforschen, übernehmen einzelne Individuen in ihrem Leben verschiedene Aufgaben", erklärte er: "Wenn die Fische noch recht klein sind, helfen sie beispielsweise eine Höhle auszugraben, wo das dominante Brutpaar die Eier ablegt, die sie hinterher putzen. Größere Fische verteidigen für gewöhnlich Höhle und Revier gegen Konkurrenten sowie Räuber." Die im Sozialverband lebenden Buntbarsche übernehmen solche Tätigkeiten aber jeweils nur für eine gewisse Zeit.
"Kastensystem" der Ameisen ist starrer als bei Bienen
Bienen und Ameisen haben wiederum ein Kastensystem, das den "beruflichen" Werdegang der Individuen festlegt. Bei Bienen zeigt es noch ein gewisses Maß an Flexibilität, berichtete Michael Taborsky: "Arbeiterinnen starten zunächst mit dem Innendienst." Sie putzen die Zellen und übergeben Futter, das von anderen zum Bienenstock geliefert wird, an die Larven. "Am Ende ihrer achtwöchigen Lebenszeit sammeln sie dann Pollen und Nektar, den sie an die jüngeren Stockgenossinnen übergeben." Hier gibt es also auch eine "temporäre Arbeitsteilung" innerhalb der Kasten, erklärte er. Bei den Ameisen wäre die Einteilung in Königinnen, Arbeiterinnen und Soldatinnen hingegen zeitlebens fixiert. "Einem solchen Kastensystem kann ein einzelnes Gruppenmitglied nicht mehr entrinnen", sagte der Verhaltensbiologe: "Man ist als Individuum dann nicht mehr fähig, alle wichtigen biologischen Funktionen alleinstehend zu erfüllen, also sich zu ernähren, vor Gefahren zu schützen und fortzupflanzen."
"In der Regel erhöht Arbeitsteilung die Effizienz einer Gesellschaft enorm", so Barbara Taborsky: "Sie kann dadurch ihre Umwelt erfolgreicher nutzen und verändern, und sich damit weiter ausbreiten." Besonders gut wäre dies bei den sozialen Insekten zu erkennen. "Ameisen haben zum Beispiel weltweit nahezu so viel Biomasse wie die Menschen", erklärte sie: "Das heißt also, nicht nur der Mensch hat die Welt erobert, sondern auch die Ameisen, wobei ihr Erfolg sich auf ihrer hocheffizienten Arbeitsteilung begründet." Ameisenköniginnen widmen sich ausschließlich der Fortpflanzung, während die anderen Koloniemitglieder sie dabei etwa durch Brutpflege, Nahrungsbeschaffung und Bewachung unterstützen. "Aber auch unter den sogenannten Arbeiterinnen können sich Einzelne auf bestimmte Aufgaben spezialisieren, bei denen sie dann extrem effizient sind", berichtete sie.
Gruppen-Erfordernisse erstrangig, individuelle Kompetenzen Nebensache
Der erste Schritt zur Arbeitsteilung wäre also die Spezialisierung, die dazu führt, dass verschiedene Individuen bestimmte Aufgaben immer besser durchführen können, weil sie Erfahrung darin sammeln und sich üben. Die Talente eines Individuums sind dabei jedoch zweitrangig: Aufgaben-Spezialisierung erfolgt auch, wenn nur die Erfordernisse der Gruppe berücksichtigt werden, unabhängig von der eigenen Kompetenz, berichten Forscher in dem Fachjournal. Größere Gruppen wären hier im Vorteil: Bei ihren vielen Mitgliedern ist es sehr wahrscheinlich, dass jemand für eine bestimmte Aufgabe besonders gut geeignet ist. Kleine Gruppen sind eher auf die Flexibilität und Lernfähigkeit ihrer Mitglieder angewiesen.
Arbeitsteilung hat freilich auch eine Kehrseite, sagte Michael Taborsky: "Sie schränkt die Flexibilität ein, auf akute Bedürfnisse geeignet reagieren zu können. Wenn etwa plötzlich Termiten einen Ameisenstaat überfallen, haben diese unter Umständen eine zu geringe Zahl von Soldatinnen zu ihrer Verteidigung", so der Biologe: "Arbeiterinnen können aufgrund ihrer Morphologie (des Körperbaus, Anm.) und ihres Verhaltensprogrammes nicht mithelfen, dem plötzlichen Raubdruck entgegenzuwirken", der von der Termiteninvasion ausgehe. Eine zu starre Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben kann demnach auch ein Nachteil sein.
Service: Sonderausgabe: https://royalsocietypublishing.org/toc/rstb/2025/380/1922, Fachpublikationen von Michael und Barbara Taborsky: https://doi.org/10.1098/rstb.2023.0261, https://doi.org/10.1098/rstb.2023.0262, https://doi.org/10.1098/rstb.2024.0206, https://doi.org/10.1098/rstb.2023.0273