"You know, in Europe they have forest cities"
Wie lässt sich besser, grüner, nachhaltiger bauen? Diese Frage stellt sich die Autorenschaft des Buchs "Designing Sustainable Cities" unter den Herausgebern Sigrid Bürstmayr und Karl Stocker der FH Joanneum in Hinblick auf die Tatsache, dass bis zur Mitte dieses Jahrhunderts mehr als 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Städten leben werden. Die Lösung könnte aus dem Mund von US-Präsident Donald Trump stammen - zumindest, wenn es nach dem Grazer "Breathe Earth Collective" geht, das einen Wald in ein Gebäude gepflanzt hat.
Unter unseren Füßen, tief in der Erde, schlummern verborgene Schätze. Nein, kein Gold, und auch kein Erdöl. 4.500 Kilogramm Eisen, 340 Kilogramm Aluminium, auch Kupfer, Zink und Blei, kommen auf jeden Einwohner Wiens, so die Herausgeber im ersten Kapitel. Dieses unterirdische Potenzial der Städte, beispielsweise alte Kabel, die nicht mehr gebraucht werden, sollte den Autoren zufolge genutzt werden, um einen Schritt in Richtung eines geschlossenen Kreislaufs zu gehen. "Reduce" ist allerdings noch besser als "Reuse", Qualität kommt vor Quantität - das erste Kapitel ist gleich auch ein kleiner Aufruf an die Leserschaft, die Rettung der Welt nicht den Aktivisten zu überlassen, sondern selbst Teil der Veränderung zu werden.
Mit Waldstädten gegen Luftverschmutzung ankämpfen
Im Vergleich zum Zeitraum 1971 bis 2000 wird die Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad ansteigen - besonders für die in einem hohen Grad versiegelten Städte ein Problem, erklärt das "Breathe Earth Collective" in seinem Beitrag. Das 2015 gegründete Grazer Kollektiv fungiert als Netzwerk für Designer mit dem Ziel, Ökosysteme zu entwerfen, die Pflanzen und Luft mit Architektur kombinieren und so "atmende" Städte zu schaffen. In ihrem Text betonen sie die Wichtigkeit, gegen Überhitzung und Luftverschmutzung anzukämpfen. Mit "kühlender" Architektur sollten Städte dahingehend umgebaut werden, dass sie zu "klimapositiven Oasen" werden. Vorgestellt wird zum Beispiel der "Breathe Austria Pavillon", ein für die EXPO 2015 in Mailand entwickeltes Gebäude, in dessen Innerem ein Wald Platz findet, der auf 550 Quadratmetern die Performance eines ganzen Waldes von der Größe eines Hektars liefert, CO2 speichert und jede Stunde genug Sauerstoff produziert, um den Bedarf von 1.800 Personen zu decken.
Solche und weitere Projekte, neue Werkzeuge, Modelle und Technologien müssen folglich entwickelt werden, um Städte grüner und resistenter gegen Klimawandel zu machen. Der Fokus des Sammelbands liegt dabei auf Istanbul, das seit 2017 Teil des UNESCO City of Design Netzwerks ist. Das 2004 gegründete Netzwerk soll Städte bei der nachhaltigen Stadtentwicklung und Realisierung der Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Beispielsweise demonstriert Ayşen Ciravoğlu vom Architektur-Department der Technischen Universität Yildiz im Kapitel "The Potential of alternative Architecture for an ecologically driven and socially engaged Istanbul" die Potenziale, die in der Millionenstadt nicht nur für ökologische, sondern auch für soziale Nachhaltigkeit gegeben sind. Aber auch Möglichkeiten und Projekte anderer Städte wie Detroit, Mexico City, Puebla oder eben Graz werden analysiert und vorgestellt. Die Inhalte lassen sich leicht auf andere Städte umlegen.
Zwischendrin, teilweise in Fußnoten versteckt, finden sich spannende Verweise, beispielsweise auf die "Population Division" (Anm: Bevölkerungsabteilung) des Ministeriums für Wirtschaft und Soziales der Vereinten Nationen, auf deren Website sich für alle Länder der Welt interessante Grafiken zur Urbanisierung der Bevölkerung finden. Was auf den rund 150 Seiten fehlt, ist die Bebilderung. Zwar gibt es immer wieder Grafiken und in Grün- und Blautönen gehaltene Darstellungen - das ist zwar hübsch, aber nicht genug, um sich Projekte wie den Waldpavillon vorstellen zu können.
Service: Sigrid Bürstmayr and Karl Stocker (Hrsg.): "Designing Sustainable Cities - Manageable Approaches to Make Urban Spaces Better", 152 Seiten, englisch, erschienen im Birkhäuser Verlag
ISBN: 978-3-0356-2198-3
Von Anna Riedler / APA-Science