#CoronaAlltag: Barrierefreiheit und Arbeitsplatz
Die letzten Monate haben gezeigt, wie tiefgreifend die Corona-Maßnahmen unseren beruflichen und persönlichen Alltag beeinflusst und verändert haben. Digitale Kommunikation und Kollaboration waren natürlich schon vor der Krise möglich, haben aber durch die aktuelle Situation nochmals schlagartig an Bedeutung gewonnen. Es ist zu erwarten, dass Videokommunikation - Stichwort: Home Office - in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird. Wir am Center for Technology Experience des AIT arbeiten daher daran, dass auch Nutzergruppen mit speziellen Bedürfnissen von der Digitalisierung und der Transformation profitieren können. Und gerade jetzt wo viele Menschen, aufgrund von Corona, auf Video- und Konferenztools angewiesen sind, wird der Bedarf an barrierefreier Software noch einmal deutlich.
In Österreich sind über 300.000 Personen stark sehbeeinträchtigt, weltweit geht man von 280 Mio. seheingeschränkten Personen aus. Durch die Ausdehnung der Lebensarbeitszeit und die Zunahme älterer Beschäftigter treten auch zunehmend Sehprobleme bei Menschen im Erwerbsleben als behindernde Faktoren auf. Trotz verschiedener assistierender Technologien ist diese Personengruppe von vielen Arbeits- und Erwerbskontexten ausgeschlossen. Gleichzeitig führt die Digitalisierung vielfältiger Arbeitsprozesse zu einem deutlich vermehrten Einsatz visueller Softwareelemente und verteilter Kooperationsformen. Menschen mit Sehbehinderungen haben oft Probleme, diese Tools anzuwenden und sind somit von vielen Berufschancen ausgeschlossen bzw. mit erheblichen Barrieren konfrontiert. Durch die Anwendung digitaler Verbesserungsmöglichkeiten (Adaptierung der Helligkeit und des Kontrasts, Hervorhebung von Details, Erkennen und Vorlesen Texten, Farbanpassungen, etc.) können diese Hindernisse überwunden und eine Integration in neue Berufsfelder ermöglicht werden.
Am AIT Center for Technology Experience arbeiten wir schon länger an technischen Lösungen, um Personen mit Seheinschränkungen digitale Inhalten zugänglich zu machen. Mit dem von uns entwickelten OptiVID-Videoplayer ist beispielsweise ein barrierefreier Zugang zu YouTube-Videos möglich. Für uns war aber auchnaheliegend, digitale Kommunikationstools - wie etwa Videokommunikation - für seheingeschränkte NutzerInnen zu optimieren.
Derzeit werden unsere Optimierungsverfahren im Kontext von Videotelefonie im laufenden Projekt VEDTools mit den EndanwenderInnen evaluiert, da wir hier, auch aufgrund der Corona-Maßnahmen, das größte Potential für nachhaltige Veränderung im Berufsalltag für seheingeschränkte Menschen sehen. Unsere Videotelefonie-Lösung ermöglicht nicht nur die Kommunikation zwischen KollegInnen, auch der videogestützte Kundenkontakt kann mittels unserer Lösung von seheingeschränkten MitarbeiterInnen durchgeführt werden. Um die Vielfalt moderner Arbeitsumgebungen abbilden zu können, sind Arbeitnehmervertreter aus unterschiedlichen Branchen und aus unterschiedlich großen Organisationen in die Entwicklung miteingebunden. Zu diesem Zweck sind die UniCredit Bank Austria als großes internationales Unternehmen und VIDEBIS als kleines spezialisiertes Unternehmen (Fachhändler für assistierende Technologien) von Beginn an in das Projekt VEDTools involviert, welches von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs koordiniert und geleitet wird.
Einen Einblick in unserer Arbeit im Kontext von digitalter Barrierefreitheit bekommen Sie auf unserer Webseite: https://www.ait.ac.at/loesungen/user-experience/digital-accessibility/
Zur Person: Andreas Sackl, Dr., ist Scientist am Center for Technology Experience des AIT Austrian Institute of Technology GmbH. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich User Experience, Accessibility und Technologieakzeptanz. Derzeit entwickelt er technische Lösungen, um Personen mit Sehbehinderungen den Zugang zu digitalen Inhalten mittels innovativer Optimierungsverfahren zugänglich zu machen.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.