Neue Bücher - Mensch und Natur, Raben und Urwelten
"Die Unterwerfung": Philip Blom blickt auf die Geschichte der menschlichen Naturbeherrschung
In seinem Buch "Die Welt aus den Angeln" über die Kleine Eiszeit von 1570 bis 1700 machte Philipp Blom 2017 deutlich, wie sehr natürliche Bedingungen und menschliches Zusammenleben miteinander korrespondieren. Etwas später referierte er in einem Essay, "was auf dem Spiel steht", und urgierte 2020 in "Das große Welttheater" neuerlich radikale gesellschaftliche Veränderungen. Der in Wien lebende Historiker und Journalist Philipp Blom zählt also zu jenen, die sich über den Umgang der Menschen mit der Natur schon seit längerem nicht nur Sorgen, sondern auch Gedanken machen. In seinem am Montag erscheinenden neuen Buch beschreibt er nun "Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur".
Am Anfang war das Wort. Die angebliche Aufforderung des Schöpfers "Macht euch die Erde untertan" wurde von den Menschen als Freibrief genommen, die Ressourcen der Erde rücksichtslos ausbeuten zu dürfen. Blom untersucht in "Die Unterwerfung" die Idee der Naturbeherrschung, stellt dar, dass sie keineswegs alternativlos war und die Menschheit nun doch an den Rand des Abgrunds geführt hat. "Die psychologische und kognitive Krise der Klimakatastrophe drückt sich auch darin aus, dass sich eine bestimmte Haltung - die des Unterwerfers, die seit dreitausend Jahren erfolgreich war - gegen ihre Besitzer gewendet hat und ein ganzes Archipel von Gesellschaften ohne das bewährte Verständniswerkzeug dasteht", schreibt Blom und plädiert erneut für die Schaffung neuer Narrative, in denen Einordnung statt Beherrschung das Ziel sind: "Kann die Unterwerfung (auch des eigenen Selbst) abgelöst werden durch eine andere Idee vom guten Leben?"
(Philipp Blom: "Die Unterwerfung. Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur", Hanser Verlag, 368 Seiten, 28,80 Euro, ISBN 978-3-446-27421-1)
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"Raben": Thomas Bugnyar geht der animalischen sozialen Intelligenz nach
Als echter Fan "seiner" Untersuchungssubjekte outet sich der Kognitionsbiologe Thomas Bugnyar von der Universität Wien. In seinem sprechend "Raben. Das Geheimnis ihrer erstaunlichen Intelligenz und sozialen Fähigkeiten" betitelten Buch beschreibt der Forscher seine Faszination für die trickreichen und schlauen Vögel, die er seit den 1990er-Jahren studiert. Dabei entlarvt er nicht nur eine ganze Reihe an Vorurteilen gegenüber den Tieren, sondern stellt auch dar, wie er und sein Team am niederösterreichischen Haidlhof oder in Grünau (OÖ) in den vergangenen Jahren tiefe Einblicke in die erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten der Krähenvögel erlangten und ihre gemeinschaftliche Organisation analysierten.
Diese Erkenntnisse brachten Bugnyar u.a. 2019 auf die Liste der "Durchbrüche des Jahres" des Fachmagazins "Science". Dass die Vögel einen erstaunlich großen Wortschatz - von "rap" bis "klong" - an den Tag legen und motiviert sind, diesen zeitlebens zu erweitern, ist eine ihrer bemerkenswerten Eigenschaften. Dass sie sich ebenso für ihre Untersucher interessieren, wie diese für sie, eine weitere. Dementsprechend scheut sich der Wissenschafter auch nicht davor, den einen oder anderen Vergleich mit uns Zweibeinern zu ziehen. Oft bleibt er bei aller Wissenschaftlichkeit sogar auf der Frage sitzen, wer eigentlich wen beobachtet. So bringt einem das Buch die komplex organisierten Tiere und die oft ebenso gefinkelte Forschungstätigkeit mit ihnen gleichermaßen nahe.
(Thomas Bugnyar, Patricia McAllister-Käfer: "Raben. Das Geheimnis ihrer erstaunlichen Intelligenz und sozialen Fähigkeiten", Brandstätter Verlag, 224 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-7106-0637-3)
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"Urwelten": Thomas Halliday packt 500 Millionen Jahre in ein Buch
Tropische Wälder in der Antarktis und Eisberge in Südafrika: Der Paläontologe Thomas Halliday nimmt die Leser von "Urwelten - Eine Reise durch die ausgestorbenen Ökosysteme der Erdgeschichte" mit auf eine Erkundung der Entwicklung unseres Planeten. Das Material sind 500 Millionen Jahre Erdgeschichte von sieben Kontinenten, das Ergebnis eine anschauliche Darstellung verlorener Welten und der Bedeutung von Fossilien. Die deutsche Übersetzung erscheint am 26. September.
Sein neues Buch, so erklärt Halliday in der Einleitung, solle "wie die Reisebeschreibung eines Naturforschers" gelesen werden, "auch wenn sie von Ländern handelt, deren Ferne zeitlicher und nicht geografischer Art ist". Dennoch ist das Buch auch eine Reise in verschiedene Länder, von Deutschland über Niger bis China, in denen Halliday anhand von Fossilien die Geschichte der Erde entschlüsselt: ein ständiges Verdrängen und Aussterben, sich Anpassen und Weiterentwickeln. Aus dieser bewegten Vergangenheit lassen sich, zu diesem Fazit kommt "Urwelten", auch Lehren für die Zukunft ziehen, etwa im Kampf gegen den Klimawandel.
(Thomas Halliday: "Urwelten. Eine Reise durch die ausgestorbenen Ökosysteme der Erdgeschichte", Aus dem Englischen von Hainer Kober. Hanser Verlag. 464 Seiten. 28,80 Euro, ISBN 978-3-446-27268-2)