Gewalt verursacht folgenschwere Verunsicherung in der Gesellschaft
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissen-schaften zeigt in einer neuen Publikation in Science Advances, dass sich das Level von Gewalt in einer Gesellschaft signifikant auf die Ungewissheit der Lebenserwartung auswirkt. Diese erhöhte Unsicherheit kann weitreichende Auswirkungen auf Familienplanung, Bildungsweg, Sparverhalten und Gesundheitszustand haben.
Für ihre Studie haben die Forscher:innen von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Oxford und weiterer Wissenschaftseinrichtungen die Sterblichkeitsstatistiken verschiedener Länder mit Daten aus dem Global Peace Index als breiten Indikator für die Prävalenz von Gewalt kombiniert. "Dass mehr Gewalt zu einer Verringerung der Lebenserwartung führt, ist sicher einleuchtend. Wir zeigen erstmals anhand von empirischen Daten, dass zudem auch die Abweichungen von diesem Erwartungswert in Ländern mit mehr Gewalt deutlich größer sind", sagt Co-Erstautorin Vanessa Di Lego vom Institut für Demographie der ÖAW.
Österreich eines der friedlichsten Länder der Welt
In Ländern mit hohem Gewaltindex ist das Sterbealter der Bevölkerung weiter gestreut und damit weg vom Durchschnitt, während die Menschen in friedlicheren Ländern eher erwarten können, tatsächlich das durchschnittliche Lebensalter zu erreichen.
"Österreich gehört zu den friedlichsten Ländern der Welt und hat die sechstniedrigste Ungewissheit des Sterbealters. Das macht es für die Bevölkerung einfach, langfristige Entscheidungen zu treffen. In Län-dern, in denen Kriege, hohe Mordraten oder andere Konflikte die Ungewissheit des Sterbealters erhöhen, kann das Auswirkungen auf wichtige Lebensentscheidungen haben. Die Menschen sind zum Bei-spiel eher geneigt, einen gesunden Lebensstil zu pflegen, wenn sie relativ sicher sein können, ein ho-hes Alter zu erreichen", sagt Di Lego.
Ungewissheit des Sterbealters bei Männern größer
Der Zusammenhang bleibt auch dann signifikant, wenn andere Einflussfaktoren, zum Beispiel sozio-ökonomischer Natur, herausgerechnet werden. "Wir haben den Human Development Index, der ähnlich wie der Global Peace Index ein breiter Indikator ist, als Korrektiv verwendet und sehen immer noch einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Gewaltlevel und der Ungewissheit des Sterbealters. Gewalt ist ein wichtiger Treiber für gesellschaftliche Instabilität und betrifft nicht nur die direkten Opfer, sondern alle, die mit der Verunsicherung leben müssen", sagt die ÖAW-Demographin.
Die direkten Auswirkungen von Gewalt betreffen Männer laut den Daten der Forscher:innen stärker als Frauen. "Sowohl in bewaffneten Konflikten als auch in Ländern mit hohen Mordraten sind die Auswir-kungen auf die Ungewissheit des Sterbealters von Männern größer. Frauen leiden indirekt, weil sie vermehrt nicht-tödliche Gewalt erfahren oder Witwen werden", erklärt Di Lego und ergänzt: "Es wäre wichtig, dass wir Gewalt als globales Problem für die Bevölkerungsgesundheit wahrnehmen, das nur durch direkte Maßnahmen bekämpft werden kann. Bisher konzentrieren sich Regierungen aber lieber auf die lokale Bekämpfung der Symptome, statt globale Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisa-tion WHO mit entsprechenden Mitteln auszustatten, um effektive Maßnahmen zu setzen."
VIDEO
Einen kurzen Überblick über die Studie gibt ÖAW-Demographin Vanessa Di Lego im Video von ÖAW und Universität Oxford.
ZUM YOUTUBE-VIDEO: https://www.youtube.com/watch?v=btSMAlsH-cU
PUBLIKATION
"A global assessment of the impact of violence on lifetime uncertainty", José Manuel Aburto, Vanessa di Lego, Tim Riffe, Ridhi Kashyap, Alyson van Raalte, Orsola Torrisi, Science Advances, 2023.
DOI: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.add9038
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