Mangelhafte Forschungspraxis bei Homöopathie
Forscher_innen der Universität für Weiterbildung Krems, der Karl Landsteiner Privatuniversität und der Medizinischen Universität Wien stellen einen bedenklichen Mangel an wissenschaftlichen und ethischen Standards im Bereich der Forschung zu Homöopathie fest. Das wirft Fragen bei der Wirksamkeit der homöopathischen Mittel auf.
Eine aktuelle Studie zur Analyse der Evidenz bei Homöopathie lässt darauf schließen, dass die Forschung in diesem Bereich ein hohes Risiko für Verzerrungseffekte aufweist und die tatsächliche Wirkung von homöopathischen Mitteln daher erheblich überbewertet werden könnte. Grund dafür ist die fragwürde wissenschaftliche Praxis im Rahmen der Forschung zu Homöopathie.
Die Auswertung der Wissenschafter_innen von Cochrane Österreich an der Universität für Weiterbildung Krems, der Karl Landsteiner Privatuniversität und der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass 38 Prozent der Studien zu Homöopathie, die seit 2002 registriert wurden, im Anschluss nicht veröffentlicht wurden. Gleichzeitig wurden 53 Prozent der Studien zu diesem Themenbereich nicht offiziell registriert. Bei einem Viertel der registrierten Studien zu Homöopathie wurde das Hauptziel in der späteren Veröffentlichung verändert. Darüber hinaus ergaben die Studien, die nicht registriert waren, größere therapeutische Effekte als die registrierten Studien.
Der hohe Anteil an nicht oder erst im Nachhinein registrierten Homöopathie-Studien weist darauf hin, dass deren Veröffentlichung tendenziell von den Ergebnissen abhängt. In der Wissenschaft spricht man hierbei von Reporting-Bias, von verzerrenden Effekten auf die Studienlage.
Studienautor Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH zur bedenklichen Evidenz bei Homöopathie: "Diese Ergebnisse zeigen erschreckend schlechte wissenschaftliche Standards in der Homöopathie-Forschung. Man kann davon ausgehen, dass viele Studien nicht publiziert wurden, weil sie nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt hatten. Publizierte Homöopathie-Studien berichten wahrscheinlich nur die attraktiven Ergebnisse und bieten daher ein verzerrtes Bild der Wirksamkeit von Homöopathie."
Registrierung und Veröffentlichung als Basis glaubwürdiger Evidenz
Um dem Phänomen des Reporting-Bias entgegenzuwirken, wurden öffentlich einsehbare Datenbanken wie ClinicalTrials.gov (USA) und ClinicalTrialsRegister.eu (EU) gegründet. Dort können Forschungsarbeiten vorab registriert werden. Seit 2008 sind Wissenschafter_innen ethisch dazu verpflichtet, ihre Studien im Vorfeld zu registrieren und deren Ergebnisse zu veröffentlichen. Dennoch ist der Anteil an Studien, deren Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, noch immer hoch - und das nicht nur bei Untersuchungen, die die Homöopathie betreffen. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zur Evidenz bei Homöopathie weisen allerdings klar darauf hin, dass in diesem Bereich ein fragwürdiger Mangel an wissenschaftlichen und ethischen Standards vorliegt.
Im Widerspruch zu aktuellen wissenschaftlichen Konzepten
Die Prinzipien der Homöopathie wurden vor fast 200 Jahren entwickelt. In vielen entwickelten Ländern gilt sie als ganzheitliche und vergleichbare Alternative zur modernen Medizin, obwohl ihre Grundsätze weitgehend im Widerspruch zu physikalischen und medizinischen Prinzipien stehen und die Debatte um ihre Wirksamkeit seit Langem anhält.
Weitere Informationen: https://ebm.bmj.com/lookup/doi/10.1136/bmjebm-2021-111846
Rückfragen Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation Donau-Universität Krems Tel. +43 (0)2732 893-2910 gerald.gartlehner@donau-uni.ac.at www.donau-uni.ac.at/ebm