125 Jahre Patentamt: Zwischen Nazi-Treff und internationalem Vorbild
Seit 125 Jahren ist es möglich, beim Österreichischen Patentamt geistiges Eigentum zu sichern. Das inzwischen im 20. Wiener Bezirk befindliche Amt war aber nicht immer hoch angesehen und in der Zwischenkriegszeit war ein Büro unter Kritikern gar als Treffpunkt "Café Hitler" verrufen. Eine Auseinandersetzung mit seiner gesamten Geschichte durch ein Team vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien soll nun einen Beitrag zur hiesigen Innovationsgeschichte leisten.
Zum Jubiläum wollte Patentamtspräsident Stefan Harasek keine "Festschrift" veröffentlichen, sondern eine wissenschaftliche Publikation, auch weil es Lücken in der Geschichte der Institution während der Zwischenkriegszeit gegeben habe. "Wir wollen auch, dass die Perioden des Patentamts, die nicht so glanzvoll waren, dargestellt sind." Der illegale Nazi und Patentprüfer Leopold Tavs beispielsweise wurde kurz vor dem "Anschluss" zum Wiener Gauleiter der NSDAP. Bereits vor 1938 war das Büro eines weiteren Patentprüfers ein Ort für Nazi-Sympathisanten - daher der Name "Café Hitler".
Die braunen Seiten der Geschichte
Diese Erkenntnisse gehen hervor aus der Arbeit von Historikerin Maria Wirth und Historiker Alexander Pinwinkler. "Wenn man Nationalakten hat, findet man dort zum Teil Treuegelöbnisse an eine ganze Reihe von Regimes", sagt Wirth. Artur Glauninger beispielsweise, schon in der Monarchie tätig, sei als späterer Anhänger der Dollfuß-Diktatur durch die Nazis nicht abgesetzt worden, weil er zuvor die SA-Uniform eines illegalen NSDAP-Bezirksleiters versteckt habe. Danach schaffte er es zum ersten Präsidenten des Patentamts in der Zweiten Republik.
Patente waren einst "Privilegien"
Seine Pforten öffnete das Österreichische Patentamt 1899 am als verrucht geltenden Wiener Spittelberg - zuvor gingen Patente (damals "Privilegien") in einem komplizierten Prozess unter anderem durch Kreisbehörden und das Handelsministerium. Mit einem neuen Patentgesetz ging schließlich ein aufwendiges Vorprüfsystem einher, was laut den Historikern die "Grundlage für die Eröffnung des Patentamtes" bildete. So sei ein international relevanter Wissensspeicher für die Patentprüfung entstanden, den später Frankreich 1949 in ein eigenes internationales Patentbüro integrieren wollte.
Neben Zeitzeugengesprächen und Material im Amt sei eine "Vielfalt an Quellengenres" untersucht worden, unter anderem in Archiven im Institut für Zeitgeschichte oder der Arbeiterkammer. Auch für die Frauengeschichte hätten sich neue Erkenntnisse ergeben. Die erste weibliche Patentanwältin Europas stammt aus Wien.
Das erste erteilte Patent galt schließlich einer Verbesserung der Bogenlichtlampe, als Zwischenform von Gaslicht und Glühbirne. Heute gibt es laut Präsident Harasek über 2.000 Patentanmeldungen jährlich, von denen rund die Hälfte erteilt wird.
Die Publikation zum Forschungsprojekt von Maria Wirth und Alexander Pinwinkler ist unter dem Titel "Behörde. Wissensspeicher. Serviceeinrichtung. Das Österreichische Patentamt 1899-2024" erhältlich. An der Finanzierung waren neben dem Österreichischen Patentamt der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) sowie das Klimaministerium beteiligt.
Service: Maria Wirth, Alexander Pinwinkler, Österreichisches Patentamt: "Behörde. Wissensspeicher. Serviceeinrichtung. Das Österreichische Patentamt 1899-2024", Studienverlag, 244 Seiten, 44,90 Euro