Kinder sind Integrationsturbo
Geflüchtete Frauen mit Kindern bauen eher regelmäßige Kontakte zu Einheimischen auf als kinderlose Frauen, die flüchten mussten. Das zeigt eine neue Studie von Forscher:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der WU Wien.
Die gegenwärtige Fluchtbewegung ist so weiblich geprägt wie keine zuvor - nicht erst seit Ausbruch des russischen Krieges gegen die Ukraine. Trotzdem standen lange vor allem Männer im Zentrum der Flucht-forschung und nur selten wird die Familienstruktur auf ihr einschränkendes, aber auch ermöglichendes Potential untersucht.
Forscher:innen vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und vom Institut für Sozialpolitik der WU Wien nehmen nun in einer neuen Publikation im Fachjournal "International Migration" unter die Lupe, welchen Einfluss Familie und Elternschaft auf soziale Kontakte im Gastland haben.
Mütter profitieren von sozialen Aktivitäten der Kinder
"Die Familie bindet zwar viele Ressourcen der Frauen, aber zugleich erhöhen Kinder auch die Chancen auf regelmäßige soziale Kontakte im Gastland", so die ÖAW-Wissenschaftler:innen Isabella Buber-Ennser und Bernhard Rengs, die gemeinsam mit Judith Kohlenberger von der WU Wien 548 Männer und Frau-en, die aus Syrien und Afghanistan geflohen sind, befragt haben. Anschließend wurden die Ergebnisse in geschlechtergetrennten Diskussionsrunden qualitativ evaluiert.
"Frauen mit Kindern profitieren von Einladungen zu Kindergeburtstagen, Sportvereinen oder Arzttermi-nen, die eine positive Auswirkung auf Sprachkenntnisse und eine größere Vertrautheit mit dem Gastland zur Folge haben." Über soziale Aktivitäten ihrer Kinder, sei es durch Treffen mit Freunden und Partys, konnten Mütter nachhaltige soziale Kontakte knüpfen. Oft kommt es zu Freundschaften mit österreichi-schen Familien, wodurch sich die Sprachkenntnisse verbessern.
Häufigere Kontakte auf Deutsch als kinderlose Frauen
Verheiratete Mütter berichteten häufiger von Kontakten auf Deutsch als kinderlose verheiratete Frauen (53 Prozent vs. 47 Prozent). Im Gegensatz dazu schienen verheiratete Väter weniger sogenanntes "sozi-ales Überbrückungskapital" zu haben als kinderlose verheiratete Männer (51 Prozent vs. 70 Prozent mit häufigen Kontakten). "Unsere Studie bestätigt aber auch, dass eine flächendeckende und niederschwel-lige Kinderbetreuung für geflüchtete Frauen von besonderer Relevanz ist", so Kohlenberger. Um mehr Flexibilität bei der Kombination von Sprachkursen/Arbeitssuche und Kinderbetreuung zu ermöglichen, sollte laut den Forscher:innen in virtuelle Angebote investiert werden, die sich aufgrund der Covid-19-Situation ohnehin einer wachsenden Akzeptanz erfreuen.
PUBLIKATION
"Nuclear family and social capital of refugees in Austria", Judith Kohlenberger, Bernhard Rengs, Isabella Buber-Ennser, International Migration, 2022
DOI: https://doi.org/10.1111/imig.13073
RÜCKFRAGEHINWEIS Sven Hartwig Leiter Öffentlichkeit & Kommunikation Österreichische Akademie der Wissenschaften Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, 1010 Wien T +43 1 51581-1331 sven.hartwig@oeaw.ac.at WISSENSCHAFTLICHE KONTAKTE Isabella Buber-Ennser Österreichische Akademie der Wissenschaften Institut für Demographie Georg-Coch-Platz 2, 1010 Wien T +43 1 515 81-7726 isabella.buber-ennser@oeaw.ac.at Judith Kohlenberger Wirtschaftsuniversität Wien Institut für Sozialpolitik Welthandelsplatz 2/D4, 1020 Wien T +43 1 31336-4847 judith.kohlenberger@wu.ac.at