Neue Einblicke in zelluläre Prozesse nach einem Schlaganfall
Schlaganfälle führen zu irreversiblen Schädigungen des Gehirns und sind eine der häufigsten Ursachen für Pflegebedürftigkeit oder Tod. Da die zellulären Reaktionen auf einen Hirninfarkt noch nicht vollständig geklärt sind, fehlt es bisher an möglichen Ansätzen, um die Regeneration des geschädigten Nervengewebes im Gehirn zu fördern. Eine aktuell in "Nature Communications" publizierte Studie unter Leitung der MedUni Wien schließt entscheidende Wissenslücken und legt damit den Grundstein für die Erforschung neuer, zielgerichteter Therapiestrategien.
Um die Aktivität einzelner Zellen im Gehirn nach einem Schlaganfall zu untersuchen, setzte das Forschungsteam um den Erstautor Daniel Bormann (Universitätsklinik für Thoraxchirurgie) und die Studienleiter Hendrik J. Ankersmit (Universitätsklinik für Thoraxchirurgie) und Michael Mildner (Universitätsklinik für Dermatologie) die sogenannte Einzelzell-RNA-Sequenzierung an Tiermodellen ein, die in der Schlaganfallforschung bereits etabliert sind. Mit dieser Methode konnten die Forschenden verschiedene Zelltypen und deren Reaktionen in der frühen Phase nach einem Hirninfarkt identifizieren. Im Fokus standen dabei zwei bestimmte Zelltypen (Astrozyten und Oligodentrozyten) aus der Gruppe der Gliazellen, die an vielen grundlegenden Prozessen im Gehirn beteiligt sind.
Zelluläres Zusammenspiel im Infarktbereich Dass sich Astrozyten nach einem Schlaganfall rasch teilen und um den Infarktbereich ansammeln, ist in der Wissenschaft bereits bekannt. "Wir konnten nun unter anderem nachweisen, dass sich auch Oligodentrozyten-Vorläuferzellen in der akuten Infarktphase teilen und am Rand des geschädigten Nervengewebes anreichern", berichtet Daniel Bormann. In weiteren komplexen Analysen kamen die Wissenschafter:innen möglichen Mechanismen bei der Wundheilung des geschädigten Gehirnareals auf die Spur: "Wie haben beträchtliche Überlappungen in den Genaktivitätsmustern beider Zelltypen festgestellt, insbesondere bei jenen Genen, die für den Aufbau der glialen Barriere um den Infarkt wichtig sind", erläutert Bormann ein beachtliches Detail aus der Studie. Darüber hinaus wurde entdeckt, dass bestimmte Immunzellen (Mikroglia und Makrophagen), die ebenfalls in der Nähe des Infarkts zu finden sind, ein Signalmolekül (Osteopontin) freisetzen. Dieses Molekül könnte entscheidend daran beteiligt sein, die Gliazellen an den Rand des Infarktes zu locken, wo sie unter anderem benötigt werden, um eine Barriere zwischen dem geschädigten und dem gesunden Gewebe zu bilden. "Unsere Beschreibung des Zusammenspiels von Immun- und Gliazellen im Infarktbereich leistet einen wichtigen Beitrag, um die Regenerationsprozesse von Nervengewebe im Gehirn nach einem Schlaganfall besser zu verstehen", fasst Daniel Bormann die Bedeutung der Ergebnisse zusammen.
Schlaganfälle sind nach Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Österreich und die häufigste Ursache für bleibende Behinderungen und Pflegebedürftigkeit. Ein (ischämischer) Schlaganfall entsteht durch den Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn. Die dadurch hervorgerufene Unterbrechung der Sauerstoff- und Nährstoffversorgung führt zu einem Hirninfarkt, bei dem Nervengewebe irreversibel geschädigt wird. Bisherige Behandlungsansätze konzentrieren sich auf die Wiederherstellung des Blutflusses, was innerhalb von 24 Stunden geschehen muss und nur bei einem Teil der Betroffenen möglich ist. Da die zellulären Prozesse nach einem Hirninfarkt noch nicht vollständig geklärt sind, fehlen bislang Behandlungsansätze, um die Regeneration von Nervengewebe nach einem Schlaganfall zu fördern. "Die in unserer internationalen und interdisziplinären Studie gewonnenen Erkenntnisse sind eine vielversprechende Grundlage, um Ansatzpunkte für neue, zielgerichtete Therapienstrategien zu erforschen", sagt Daniel Bormann mit Blick auf weitere wissenschaftliche Untersuchungen.
Publikation: Nature Communications Single-nucleus RNA sequencing reveals glial cell type-specific responses to ischemic stroke in male rodents. Daniel Bormann, Michael Knoflach, Emilia Poreba, Christian J. Riedl, Giulia Testa, Cyrille Orset, Anthony Levilly, Andréa Cottereau, Philipp Jauk, Simon Hametner, Nadine Stranzl, Bahar Golabi, Dragan Copic, Katharina Klas, Martin Direder, Hannes Kühtreiber, Melanie Salek, Stephanie zur Nedden, Gabriele Baier-Bitterlich, Stefan Kiechl, Carmen Haider, Verena Endmayr, Romana Höftberger, Hendrik J. Ankersmit & Michael Mildner. https://doi.org/10.1038/s41467-024-50465-z
Rückfragehinweis: Medizinische Universität Wien Mag. Johannes Angerer Leiter Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit +431 40160-1150, +43 664 80016 11501 johannes.angerer@meduniwien.ac.at http://www.meduniwien.ac.at
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