Innsbrucker Experimentalphysiker Rainer Blatt wird 70
Mit bahnbrechenden Experimenten hat Rainer Blatt in den vergangenen Jahren den Ruf der österreichischen - speziell der Innsbrucker - Quantenphysik entscheidend mitgeprägt. Ihm gelangen etwa die erste Teleportation mit Atomen, die Erzeugung des ersten "Quantenbytes" und weitere bedeutende Schritte zur Entwicklung eines Quantencomputers. Am Donnerstag (8.9.) wird der Innsbrucker Experimentalphysiker 70 Jahre alt.
Auch mit 70 ist Blatt - einer der meistzitierten in Österreich tätigen Wissenschafter - noch hoch aktiv und wird seinem Ruf als "Macher" gerecht, als jemand, der "in der Lage ist, Dinge umzusetzen", wie ihn sein Innsbrucker Kollege, der theoretische Physiker Peter Zoller einmal beschrieb. Dieser hat übrigens nur eine Woche nach Blatt, am 16. September, seinen 70. Geburtstag.
Seit Blatt an der Universität Innsbruck vor zwei Jahren emeritiert wurde, arbeitet er per Sondervertrag bis September 2023 weiter, um seine Experimente fortzuführen. Am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das er mit aufgebaut hat, ist er weiterhin im Direktorium tätig, wird dort aber ebenso im nächsten Jahr emeritieren. In dem von ihm mitgegründeten Spin-off Alpine Quantum Technologies GmbH (AQT) verfolgt er die kommerzielle Umsetzung seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse für den Bau eines Quantencomputers. Und seit dem Vorjahr koordiniert er das "Munich Quantum Valley", eine mit 300 Mio. Euro ausgestattete Initiative Bayerns zum Ausbau der Quantenwissenschaften.
Blatt, geboren am 8. September 1952 in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz, Deutschland), studierte Mathematik und Physik an der Universität Mainz. Nach seiner Promotion ging er 1982 an das Joint Institute for Laboratory Astrophysics in Boulder (USA) zum späteren Physik-Nobelpreisträger (2005) John Hall. Weitere Stationen seiner Karriere führten ihn ab 1983 an die Freie Universität Berlin und die Universität Hamburg, immer wieder unterbrochen durch Forschungsaufenthalte in den USA. 1994 wurde er - inzwischen im Fach Experimentalphysik habilitiert (1988) - zum Professor für Physik an die Universität Göttingen berufen, ehe ihn 1995 der Ruf auf einen Lehrstuhl für Experimentalphysik der Universität Innsbruck ereilte.
1995 Quantencomputer-Modell entwickelt
Im selben Jahr entwarfen Peter Zoller und Ignacio Cirac das Modell eines Quantencomputers, der auf der Wechselwirkung von Lasern mit kalten, in Magnetfallen gespeicherten Ionen basiert. Viele seiner Experimente baute Blatt auf den von Zoller und Cirac entwickelten theoretischen Konzepten auf. So konnte er 2004 weltweit erstmals die Quanteninformation eines Atoms in vollständig kontrollierter Weise auf ein anderes Atom übertragen, also "teleportieren". Im berühmten Experiment des Wiener Experimentalphysikers Anton Zeilinger wurden Photonen teleportiert.
Zwei Jahre später schaffte es Blatts Gruppe, acht Ionen miteinander zu verschränken, was als Erzeugung des ersten "Quantenbytes" in die Annalen einging und heute noch zu den "kleineren" der in Innsbruck laufenden Quantencomputer zählt. Mittlerweile arbeitet er routinemäßig mit Quantencomputern mit 20 bis 50 Quantenbits, führt Quantensimulationen durch und demonstrierte entscheidende Schritte zur erfolgreichen, für einen funktionierenden Quantencomputer unerlässlichen Fehlerkorrektur. Mit seinem Spin-off AQT will er einen Quantencomputer zur Marktreife bringen, bereits im Vorjahr präsentierten die Forscher einen Prototyp mit 24 Qubits, der nicht mehr ein ganzes Labor ausfüllt, sondern in zwei Rechenzentren-übliche Server-Schränke passt, und auch schon für Forscher und Industriepartner zugänglich ist.
2003 IQOQI ins Leben gerufen
An der Uni Innsbruck leitete Blatt von 2000 an das Institut für Experimentalphysik. Zudem war er 2003 einer der wissenschaftlichen Gründungsdirektoren des Instituts für Quantenoptik und Quantenphysik (IQOQI) mit seinen beiden Standorten Innsbruck und Wien. Als Teil des kongenialen Führungskleeblatts des IQOQI hat Blatt mit Peter Zoller, Hans Briegel und Rudolf Grimm Innsbruck zu einer international viel beachteten Zentrum der Quantenphysik gemacht.
Entsprechend zahlreich sind die Auszeichnungen, die der Vater von drei Kindern und begeisterte Musiker, der in der Musikkapelle Inzing das Euphonium bläst, bisher erhalten hat. Dazu zählen u.a. die Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (2012), der Carl-Zeiss-Forschungspreis (2009), der Schrödinger-Preis der ÖAW, deren wirkliches Mitglied Blatt seit 2008 ist, der Humboldt-Forschungspreis (2013), der John-Stewart-Bell-Preis (2015), die Aufnahme in die US-National Academy of Sciences (2019), der Micius-Preis (2019) und das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (2022).
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