Cladodus gailensis - Rare Kärntner Haizähne enthüllen neue Urzeitart
Anhand von nur drei Haizähnen, die zwischen 1989 und 2015 in den Karnischen Alpen gefunden wurden, konnten Forscher nicht nur eine neue prähistorische Art, sondern auch den Einfluss der bewegten Klimageschichte vor mehr als 300 Mio. Jahren auf die Tiere beschreiben. Das Team um Iris Feichtinger taufte seinen neu entdeckten Urzeithai nach dem Ort des Fundes im Gailtal "Cladodus gailensis". Analysen zufolge könnte er drei bis vier Meter gemessen haben.
Bei den Funden aus Kärnten handelt es sich einer Aussendung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien zufolge um die ältesten Überbleibsel der urtümlichen Raubfische auf dem Gebiet des heutigen Österreichs. Vor rund 325 Millionen Jahren, im Zeitalter des Karbon, sah es dort freilich völlig anders aus. Die beginnende Kollision der beiden einstigen Superkontinente Euramerika und Gondwana in der Nähe des Äquators brachte dort, wo heute Österreichs südlichstes Bundesland liegt, einen tropischen Küstensaum hervor. Dieser beherbergte Korallen oder Trilobiten und auch die "Kärntner Haie". Die Jahrmillionen haben die Zeugen des einstigen Lebensraumes mittlerweile derart angehoben, dass sie in den Bergen zu finden sind.
Auf den Zahn gefühlt
In einer wissenschaftlichen Studie nahmen nun die Forscher von NHM, Universität Wien, Landesmuseum Klagenfurt und Universität St. Petersburg die raren Zahnfunde genau unter die Lupe. "Zähne aus dem Karbon sind bei uns ganz, ganz selten", so die am NHM tätige Feichtinger im Gespräch mit der APA. Neben Cladodus gailensis konnten die Wissenschafter anhand des zweiten Zahnes auch den ersten Nachweis eines Vertreters der prähistorischen Hai-Gattung Saivodus in Zentraleuropa erbringen. Der dritte Zahn wurde erst mittels Computertomographie-Scans ersichtlich, da er noch komplett im Gestein eingebettet liegt. Dieses Relikt konnte aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes leider keiner Art zugeordnet werden, sagte Feichtinger. Die anderen, zum Teil im Gestein steckenden Zähne, wurden durch die Messungen im NHM im Computer visualisiert, was ihre genaue Erforschung ermöglichte.
Der Zahn von Cladodus gailensis ist immerhin rund einen Zentimeter groß. Zähne von Vertretern dieser Gattung können aber auch gut drei Zentimeter groß werden. Der Kärntner Vertreter "ist auf jeden Fall kein kleiner Hai gewesen", schließt Feichtinger, die der neuen Art eine Größe von drei bis vier Metern zutraut.
Klimaschwankungen im Karbon
Im Abgleich der neuen Erkenntnisse mit internationalen Untersuchungen zeichnete man im Fachblatt "Journal of Vertebrate Paleontology" zudem das Kommen und Gehen von Klimaschwankungen im Karbonzeitalter nach. An zwei Zeitpunkten war diese Zeit durch starke Vereisungen um die Polkappen charakterisiert, was jeweils zu einem Absinken des Meeresspiegels führte. Vor rund 327 Mio. und nochmals vor rund 306 Mio. Jahren führte dies zu großen Aussterbeereignissen unter den Haien, erklärte Feichtinger. Bei küstennahe lebenden Haien fiel ihr Lebensraum vielfach einfach weg.
Nach den einstigen Klimakatastrophen sehe man, "dass sich die Diversität der marinen Haie in Europa nicht mehr erholt". Allerdings bildeten sich nach dem Abschmelzen der Eismassen viele Seen und Flusssysteme. "Da nahmen dann die Süßwasserhaie den Platz von den marinen Haien ein. Sie erobern sozusagen den Süßwasser-Lebensraum. Das sieht man in Europa sehr deutlich", sagte Feichtinger.
Service: https://doi.org/10.1080/02724634.2021.1925902