#CoronaAlltag: Als Epidemiologe die Bewältigung der SARS-CoV-2 Pandemie unterstützen
Ich bin Epidemiologe und seit Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie können sich plötzlich alle mehr unter meiner Forschung vorstellen. In der Epidemiologie geht es darum, die Entstehung von Krankheiten durch großangelegte Studien besser zu verstehen. Bei wem treten Krankheiten auf? Wo und wann treten sie auf? Gibt es Faktoren, die das Risiko für die Erkrankung erhöhen bzw. verringern? Wie könnte man ein Screening durchführen, um erkrankte Personen zu identifizieren? Ergebnisse epidemiologischer Studien helfen, die Prävention von Erkrankungen zu bessern und neue therapeutische Ansätze für deren Behandlung zu identifizieren. Ziel ist es, dadurch die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu optimieren.
Mit dem neuartigen SARS-CoV-2 Virus befasse ich mich schon seit den ersten Meldungen aus China. Sehr bald wurde klar, dass Österreich eigene Studien zur Erforschung von COVID-19 braucht. Die Auswirkungen und Verläufe der SARS-CoV-2 Pandemie unterscheiden sich stark zwischen verschiedenen Ländern. Dies liegt unter anderem an länderspezifischen Teststrategien und Testkapazitäten, an unterschiedlichen Ausmaßen und Zeitpunkten getroffener Maßnahmen, aber auch an Unterschieden in den Gesundheitssystemen. Daher sind epidemiologische Studien in Österreich zu SARS-CoV-2 wichtig, um weitere Entscheidungen treffen zu können.
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Epidemiologie und Public Health habe ich eine Studie zur Erfassung der Immunität gegen SARS-CoV-2 konzipiert. Wichtig ist bei einer solchen Studie etwa, welche Personen für die Studie ausgewählt werden. Die Auswahl muss so erfolgen, dass die Stichprobe bestmöglich die österreichische Gesamtbevölkerung repräsentiert. Eine Herausforderung ist auch die Auswahl geeigneter Tests. Wir unterscheiden hier sogenannte PCR-Tests, die eine akute Infektion nachweisen, und Antikörper-Tests, die im Blut das Vorliegen von Antikörpern gegen das Virus detektieren. Bevor neu entwickelte Tests zum Einsatz kommen können, muss deren Messgenauigkeit genauestens geprüft werden. Ein sehr erfreulicher Aspekt meiner Arbeit zu diesem Thema ist die sehr produktive Zusammenarbeit mit internationalen Forscherinnen und Forschern der WHO, aus Großbritannien und aus Deutschland. Durch den internationalen Austausch wollen wir die internationale Vergleichbarkeit zukünftiger Studien zur SARS-CoV-2 Immunität und deren Interpretation gewährleisten.
Ein weiterer Aspekt der SARS-CoV-2 Pandemie, den ich erforsche, ist die Auswirkung häuslicher Isolation auf die psychische und körperliche Gesundheit. Ich führe eine Studie gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Grabovac der Medizinischen Universität Wien durch. In dieser Studie wollen wir das Auftreten von Angst, Depression und Einsamkeit in häuslicher Isolation erfassen und Einblick darin gewinnen, inwieweit Personen in häuslicher Isolation ihre Ernährungsgewohnheiten und körperliche Betätigung verändern. Insbesondere ist es unser Ziel herauszufinden, welche Personengruppen besonders unter häuslicher Isolation leiden, sodass diesen Personen gezielt geholfen werden kann. Der Online-Fragebogen ist auf https://www.soscisurvey.de/COVID_studie/ verfügbar und wir sind Ihnen dankbar für Ihre Teilnahme!
Da ich meine Forschung hauptsächlich am Computer durchführe, kann ich meine Forschungsarbeit unverändert weiterführen. Mit meinem Team treffe ich mich täglich virtuell in Videokonferenzen, um die Aufgaben des Arbeitstages genau abzustimmen. Trotzdem vermisse ich die tägliche Interaktion im "richtigen" Leben mit meinem Team. Genauso geht mir die Interaktion mit den Studierenden in meinen Lehrveranstaltungen ab, die aktuell nur virtuell durchführt werden.
Zur Person: Dr. Peter Willeit MPhil PhD ist Professor für Epidemiologe an der Univ.-Klinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Er forscht zudem an der Universität Cambridge, wo er sein Doktorat in Epidemiologie und Public Health absolvierte und zuletzt als Assistenzprofessor tätig war.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.