Baumpilz liefert Bühnenbild: Ein Forschungsprojekt macht's möglich
Am Residenztheater München hat am Freitag ein Stück Premiere, dessen nachhaltige Theaterdekoration aus einem neuartigen Verbundwerkstoff gefertigt ist, der im Zuge eines Forschungsprojektes mittels eines Baumpilzes hergestellt wurde. Das Mycel des Pilzes Trametes Hirsuta bildet dabei einen neuartigen bioorganischen Baustoff, aus dem für "Der Entrepreneur" von Kevin Rittberger an der TU Dresden ein sechs Meter hoher Baumstamm modelliert wurde.
"Im Mittelpunkt des Stückes steht der Inhaber eines Unternehmens, der seine gesamte Firmenphilosophie auf den Kopf stellt und sich plötzlich mehr für Bäume als für den Profit interessiert. Durch den Einsatz einer nachhaltigen Dekoration spiegelt sich der Inhalt des Stückes auch direkt auf der Bühne wider", heißt es dazu in einer Mitteilung der Technischen Universität Dresden, die gemeinsam mit der Biotopa gGmbH an der Entwicklung beteiligt waren.
Den Anstoß dazu gaben die Bühnenbildnerinnen Jana Findeklee und Joki Tewes: "Angeregt von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Kevin Rittbergers Stück, der davon angestoßenen Frage von Nachhaltigkeit und Wiederverwertung, haben wir uns als Bühnenbildnerinnen auf die Suche nach alternativen Baustoffen gemacht. Für das Bühnenbild von 'Der Entrepreneur' versuchen wir, überwiegend Materialien einzusetzen, die natürlichen Ursprungs sind (wie Holz, Karton und Jute) oder recycelt wurden (wie zerschnittene alte Plakatplanen)."
Paradebeispiel für Nachhaltigkeit
Das Material für den Baum besteht aus Holzspänen, Weizenkleie, Wasser und Pilzmycel ohne Zusatzstoffe - für das Entwicklerteam ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit, das Vorbildcharakter bekommen soll. Der neuartige Verbundwerkstoff könnte in künftigen Bühnenbildern einfach zu verarbeitende, aber schwer abbaubare Stoffe wie Styropor ersetzen: "Vielleicht dient dieses Experiment der Etablierung des Pilzmyceliums als Theaterbaustoff der Zukunft."
Von Prototyp zum Standard ist freilich noch ein weiter Weg, wissen die Beteiligten. Vor allem das langsame biologische Wachstum des Pilzmaterials scheint mit den herkömmlichen Abläufen des Theaterbetriebs schwer zu vereinbaren. Auch Fragen der Beanspruchung im Spielbetrieb oder der möglicherweise notwendigen chemische Nachbehandlung für feuerpolizeiliche Standards sind noch nicht restlos geklärt. Der Anfang ist jedenfalls gemacht und ein Beweis dafür, dass Klima- und Nachhaltigkeitsfragen im Theater angekommen sind - nicht nur in den Dramaturgien, sondern in allen Gewerken.