Reifenabrieb beschert Österreich 21.200 Tonnen Mikroplastik pro Jahr
Rund 21.200 Tonnen an Mikroplastikpartikeln landeten im Jahr 2018 auf Österreichs Straßen. Das ist das Ergebnis einer neuen Berechnung, die Forscher der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien nun im Fachmagazin "Evironmental Pollution" vorstellen. Besonders schädlich sind kleine Abriebreste, die in die Lunge gelangen können. Immerhin 600 Tonnen an Partikeln kleiner als fünf Mikrometer und neun Tonnen in Nanometer-Bereich beschert demnach vor allem der Lkw-Verkehr dem Land.
Wissenschafter um Florian Part vom Institut für Abfallwirtschaft an der Boku hefteten sich im Rahmen ihrer Studie auf die Fersen des Reifenabriebs im Transitland Österreich. Auf stattliche 2,4 Kilogramm jährlich pro Person und Jahr kommt man demnach hierzulande. Dass dieser Wert nicht annähernd durch den Abrieb bei einem durchschnittlich viel gefahrenen Familienauto erreicht werden kann, liegt auf der Hand. Den Analysen zufolge verliert ein acht Kilogramm schwerer Reifen in drei Jahren und auf 60.000 Kilometern Strecke in etwa ein Fünftel seiner Masse. Für ihre Studie bezogen die Forscher erstmals "alle Kfz-Klassen inklusive Transitverkehr mit ein", so Part am Dienstag in einer Aussendung.
Lkw der größte Staubpartikelproduzent
Lkw tragen mit einem 57 Prozent-Anteil am stärksten zur Staubpartikelproduktion bei, dahinter folgen Pkws mit 41 Prozent. Für den kleinen Rest zeichnen vor allem Busse verantwortlich. Motorräder, Mopeds oder Fahrräder fallen hier wenig ins Gewicht, heißt es in der Arbeit. Immerhin in etwa 60 Prozent der gesamten Mikroplastikemissionen im Land gehen laut der Materialflussanalyse für Fahrzeugreifen auf den Straßenverkehr zurück.
Als Mikroplastik zählen demnach Plastikpartikel mit einer Größe von unter fünf Millimetern Durchmesser. In die Lunge und in weiterer Folge in die Blutbahn gelangen die Feinstaub- und Ultrafeinstaubteile umso leichter, je kleiner sie sind. In den Bereich der Nano-Plastikteilchen fallen laut der Analyse 0,3 Prozent des Abriebs.
Abseits der Gummipartikel gelangen auch Reifeninhaltsstoffe wie Additive, Füllstoffe und vor allem Industrieruß im Ausmaß von geschätzten 5.500 Tonnen jährlich in die Umwelt. "Studien haben gezeigt, dass diese Nanopartikel über die Atemwege bei schwangeren Frauen sogar bis zum Fötus gelangen können", sagte Part. Abbauprodukte mancher Reifenadditive können im Körper zudem Wirkungen wie Hormone entfalten. Wie genau sich derartige Stoffe auf die Umwelt und im Menschen auswirken, sei vielfach noch nicht geklärt, so die Wissenschafter, die in weiteren Arbeiten Anreicherungseffekte in Böden sowie in Fluss- und Seesedimenten simulieren wollen.
E-Mobiliät ist in diesem Fall auch keine Lösung
Zur Vermeidung von Reifenabrieb könnten möglichst robuste Reifen beitragen. Nicht zuletzt "müssten die Menschen generell weniger Auto fahren, da der Individualverkehr weiter zunehmen wird", so Part, der auch auf den Beitrag des Fahrstils und der Straßenbeschaffenheit hinweist. Selbst wenn sich nämlich der Lkw-Verkehr zunehmend auf die Schiene verlagern würde, gehe der Trend beim Pkw-Verkehr weiter nach oben, wie Prognosen zeigen. Das Ausrollen der E-Mobilität werde hier kaum einen Effekt zeitigen, da Elektroautos vermutlich mindestens den gleichen Abrieb produzieren wie herkömmliche Pkw.
Service: https://doi.org/10.1016/j.envpol.2021.118102