"Wiener" Geoforschertagung blickt online auf Covid, Hochwässer und Co
Normalerweise tummeln sich im Wiener Austria Center um diese Jahreszeit um die 15.000 Geowissenschafter bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU). Die Coronapandemie zwingt die Veranstalter schon zum zweiten Mal zum Ausweichen ins Internet. Covid-19 wird vom heutigen Montag bis zum 30. April auch ein großes Thema für die Geoforscher sein, so der Hydrologe und frühere EGU-Präsident, Günter Blöschl, der am Mittwoch einen EGU-Vortrag zu Hochwässern hält.
Seit 2005 schlägt die Geowissenschafter-Gemeinde alljährlich in Wien ihre Zelte auf. Die rund eine Woche dauernde EGU-Generalversammlung zählt zu den größten wiederkehrenden Kongress-Veranstaltungen in der Bundeshauptstadt und ist damit auch ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor. Blöschl, Vorstand des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien und von 2013 bis 2015 Präsident der EGU, zeigte sich im Gespräch mit der APA davon überzeugt, dass es in den kommenden Jahren in Wien auch wieder zum persönlichen Treffen der Szene kommen wird. Verträge gebe es jedenfalls für die nächsten Jahre. "Ich sehe nicht, dass sich da kurzfristig etwa ändern sollte", sagte der Wissenschafter.
Überblick zum Thema "Covid-19" unter Highlights
Immerhin rund 14.000 Beitrage und Hunderte wissenschaftliche "Sessions" wird es ab heute, Montag, online geben. Der Großteil geht heuer jedoch in der zweiten Konferenzwoche über die Online-Bühne, wie es in einer Aussendung der EGU kürzlich hieß. Die Themen reichen traditionell vom Irdischen bis weit ins All hinaus, wenn es etwa um neue Erkenntnisse zur Beschaffenheit anderer Planeten geht. Für Blöschl ist heuer - wie könnte es anders sein - eine der Überblickssessions zum Thema "Covid-19" eines der absehbar größeren Highlights.
Verbindungen zwischen den Geowissenschaften und Gesundheit seien bereits seit einigen Jahren ein "heißes Thema", das nun noch mehr Aufmerksamkeit erfahre. Nicht zuletzt arbeite man in dem breiten Feld schon lange an stark datengetriebenen, dynamischen Modellen zum Verständnis der Interaktion zwischen natürlichen Vorgängen und dem Verhalten von Menschen. "Hier gibt es fast so etwas wie eine neue Disziplin", so Blöschl. Vieles aus der geowissenschaftlichen Methodenkiste fließe jetzt eben auch in Analysen und Prognosen zur Pandemie ein. Ein anderes großes Thema werde auch der viel diskutiere europäische "Green Deal" und die möglichen Beiträge der Wissenschaft dazu sein.
Hochwässer im Fokus
Sehr greifbar werde die Notwendigkeit der Erforschung der Koppelung von menschlichem Handeln und natürlichen Abläufen im Bereich der Hochwässer, wie Blöschl betonte. Auch die mathematischen Modelle der Soziohydrologie seien "praktisch identisch" mit jenen, die nun in Bezug auf das Infektionsgeschehen zum Einsatz kommen. Das Coronavirus zeige erneut, wie wichtig die wissenschaftliche Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinweg, aber auch die Rückmeldung seitens der Forschung an die Politik sei.
Das treffe auch auf die Hochwasserforschung zu, deren aktuellen Erkenntnisse der TU-Forscher am Mittwoch (21. April) in einem von der EGU und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) organisierten Online-Vortag mit dem Titel "Größere Hochwässer in Europa?" beleuchten wird. Die Antwort darauf falle zweigeteilt aus und die Grenze zwischen Ja und Nein verlaufe direkt durch Österreich.
Einfluss des Klimawandels nachgewiesen
Ein zahlreiche Forscher umfassendes internationales Team ging dieser Frage im Rahmen eines hochdotierten "Advanced Grant" des Europäischen Forschungsrates (ERC) für Blöschl nach. Im Fachblatt "Science" konnte man vor wenigen Jahren erstmals den Einfluss der Klimawandels anhand von umfassenden Daten klar nachweisen. Der Effekt zeigt sich aber eben nicht einheitlich, denn während die unüblich hohen Pegelstände im Norden Europas im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte häufiger wurden, war dies im Süden des Kontinents nicht so.
"Im Norden von Österreich sehen wir eher größere Hochwässer und haben die auch in Zukunft zu erwarten, im Süden werden sie eher gleich bleiben", sagte der Experte. Mit seiner Lage am Alpenhauptkamm liege Österreich hier quasi direkt am Umschlagpunkt. Über komplexe Phänomene verscheibt sich insgesamt die Feuchtigkeitsverteilung in Richtung nördlichere Gebiete. Das müsse beim Wassermanagement mitbedacht werden. Hierzulande sei man in gutem Austausch mit den zuständigen Stellen, was Wasserverbauung und -speicherung betrifft. Forschungsseitig sei man hier "glaube ich, weltweit führend", zeigte sich Blöschl überzeugt.
Bewussterer Umgang mit Wasser
Auch wenn die Wasserversorgung in Österreich mittelfristig keineswegs zu entgleisen drohe, mahnt der Experte auch die Bevölkerung zu einem bewussteren Umgang mit der Ressource Wasser: "Das ist eine vorsichtige Warnung." Zur Zeit stehe die starke Vermutung im Raum, dass Sturzfluten durch heftigere Gewitter in unseren Breiten im Zunehmen sind. Das habe unmittelbare Auswirkungen auf viele Bürger und Regionen, die sich überlegen müssten, "wie man mit diesem Risiko umgeht", sagte Blöschl.
Service: Link zur EGU-Konferenz: https://www.egu21.eu; Informationen zum Vortrag von Günter Blöschl: http://go.apa.at/kY5qJbz1